Als Konrad Zuse den ersten programmierbaren Computer erfand
"Ich brauch' das Wohnzimmer", sagte Konrad Zuse 1935 zu seinen Eltern. Dort begann er, zu werkeln und zu konstruieren - und legte die Grundlagen für die Computertechnik: Sechs Jahre später präsentierte der Ingenieur den ersten programmierbaren Computer Z3.
21.06.2010
Von Christian Spoecker

Vor 100 Jahren, am 22. Juni 1910, wurde Zuse in Berlin geboren. Die Rechenleistung der Zuse-Rechenmaschine von einst passt heute locker in die Hosentasche: der Prozessor eines Smartphones ist gut 200 Millionen Mal schneller. Doch Zuse hat schon vor rund 70 Jahren die Grundlagen dafür gelegt.

Als junger Ingenieur habe Zuse in den 30er Jahren bei den Berliner Henschel-Flugzeugwerken "furchtbar viel rechnen" müssen, erzählt sein Sohn, der Informatikprofessor Horst Zuse. Die damaligen primitiven Hilfsmittel - Rechenschieber, Logarithmentafeln und einfachste Tischrechenmaschinen - hätten ihn genervt. Konrad Zuse habe eine automatische Rechenmaschine mit einem Speicher gewollt.

Im Zweiten Weltkrieg soll Zuse an der Ostfront kämpfen, es wird ein kurzer Einsatz. Denn als Mitarbeiter eines Rüstungsunternehmens gilt er nur kurze Zeit später als "unabkömmlich". 1941 gründet er seine Firma "Zuse Apparatebau Berlin" und bekommt von den Nazis auch ausländische Arbeitskräfte zugewiesen.

Militärtechnik und Kriegswirtschaft

Ob sie jedoch freiwillig bei Zuse arbeiteten, wie dessen Sohn sagt, oder Zwangsarbeiter waren, darüber gehen die Meinungen auseinander. Zumindest einige von ihnen hätten ihre Arbeitsstelle nicht frei wählen können und seien daher als Zwangsarbeiter zu bezeichnen, sagt Hans Dieter Hellige, Technik-Professor an der Universität Bremen.

Nach Ansicht von Hellige geriet Konrad Zuse ab Kriegsbeginn immer mehr in die Mühlen von Militärtechnik und Kriegswirtschaft: "Alles in allem blieb Zuse ein Außenseiter, der durch die Fixierung auf seine Erfindung immer mehr in das NS-System integriert wurde." NSDAP-Mitglied sei er nicht geworden. Horst Zuse sagt: "Mein Vater war kein Widerstandskämpfer, er ist aber auch nicht mitmarschiert."

Im Mai 1941 stellt Konrad Zuse die spätere Z3 in Berlin einigen Wissenschaftlern vor. Ein Nachbau der im Krieg zerstörten Maschine steht heute im Deutschen Museum in München, wo vom 19. Juni bis zum 22. August eine Sonderausstellung Zuses Nachlass wie Baupläne und Skizzen präsentiert. Am 2. September wird neben vielen anderen Veranstaltungen im "Zuse-Jahr 2010" im Deutschen Technikmuseum Berlin eine neue Zuse-Dauerausstellung eröffnet.

Amt verweigert Zuse das Patent

Als im Frühjahr 1945 die Sowjet-Armee vor Berlin stand, verließ Zuse mit einem Lastwagen und 20 Kisten voller Computerteile des Nachfolgers Z4 die Stadt. 1946 gründete er sein neues Unternehmen. Nach dem Krieg erfuhren auch die US-Amerikaner erstmals von Zuses Arbeit. In den USA war ebenfalls an Rechenmaschinen gearbeitet worden. Fast zeitgleich mit Zuses Z3 wurde in Iowa der Atanasoff-Berry-Computer fertig, der erste elektronische Digitalrechner. Doch im Gegensatz zum Z3 war er nicht programmierbar.

Wie die Computerentwicklung ohne seinen Vater verlaufen wäre? "Ich bin ziemlich sicher, dass es auch so soweit gekommen wäre", sagt Horst Zuse mit Blick auf die Forschungen in den USA. Trotzdem: "Er hat etwas vollkommen Neues geschaffen, das muss man einfach so sagen", sagt der 64-Jährige.

Doch das Bundespatentamt erteilte Konrad Zuse kein Patent. "Es war ein 26 Jahre langer Streit", erinnert sich sein Sohn. Denn obwohl die Patentrechtler Zuses Z3 als fortschrittlich und neu ansahen, wollten sie nicht von einer Erfindung sprechen. Begründung: Die Bauteile wie Relais und Schrittschalter seien bereits vorhanden gewesen, Zuse habe sie einfach auf eine neue Art zusammengebaut. Hätte das Patentamt damals anders entschieden, "hätte ich auch ein paar Millionen auf dem Konto", sagt Horst Zuse schmunzelnd.

Treffen mit Bill Gates

Konrad Zuses Unternehmen, die hessische Zuse KG, ging Mitte der 60er-Jahre in der Siemens AG auf. Zuse selbst stieg aus und wurde Honorarprofessor in Göttingen.

Anerkennung erfuhr Konrad Zuse trotz des fehlenden Patents. 1995 kam es auf Wunsch von Bill Gates zu einem Treffen, ein paar Monate vor Zuses Tod am 18. Dezember 1995. Der leidenschaftliche Maler Zuse überreichte dem Microsoft-Mitgründer dabei ein selbstgemaltes Gates-Portrait.

Vom Typ her habe sein Vater jedoch eher Ähnlichkeit mit Apple-Chef Steve Jobs gehabt, sagt Horst Zuse: In Sachen Erfindergeist, Originalität, Humor und Ingenieurskunst seien sie sich ähnlich. Doch ein Smartphone, da ist sich Horst Zuse sicher, würde sich sein Vater heute nicht kaufen. Denn so sehr dieser auch an seinen Rechenmaschinen hing: Privat kam der Vater von fünf Kindern ohne eigenen PC aus.

epd