Schweden: Victorias Hochzeit löst nicht nur Freude aus
Wo andere Länder sich gerade im Fußball-WM-Taumel befinden, feiert Schweden die Traumhochzeit des Jahres: Prinzessin Victoria ehelicht den Bürgerlichen Daniel Westling. Doch die Untertanen sehen ihre Monarchie durchaus nicht nur positiv. Nach der Hochzeit könnten die Diskussionen wieder hochkochen.
19.06.2010
Von Karola Kallweit

In diesem Jahr gibt es leider keinen schwedischen Fußball auf den Großbildleinwänden zu bestaunen. Macht aber nichts. Denn deutschlandweit gibt es in einem bekannten schwedischen Möbelhaus am heutigen Samstag trotzdem Public Viewing. Kein Sport, dafür aber die Hochzeit der schwedischen Kronprinzessin Victoria mit dem bürgerlichen Daniel Westling.

Wenn diese beiden Hochzeit feiern, kann man davon ausgehen, dass es ihnen bei der Planung fast so wie einem "normalen" Paar ging. Im Unterschied zu jenem normalen Paar jedoch hat die Heirat der beiden Schweden eine ganz klar politische und wirtschaftliche Dimension. Die PR-Maschinerie läuft auf Hochtouren. Das andernorts propagierte WM-Jahr läuft in Schweden offiziell unter dem Titel "Love 2010", die Devotionalienverkäufer der nordischen Hauptstadt drucken Victoria und Daniel auf alles, auf das sich eben etwas drucken lässt, und Stockholms Konditoren backen Törtchen mit dem Emblem des Paares. Auch der schwedische Autokonzern Volvo kann von der Hochzeit profitieren: Wenn weltweit geschätzte 500 Millionen Zuschauer vor ihren Fernsehapparaten sitzen, wird der exklusiv verpflichtete Automobilhersteller die Beteiligten in Limousinen chauffieren. Die schwedische Handelskammer steht der Hochzeit äußerst positiv gegenüber. Der Einzelhandel und der Tourismus könnten durch die Hochzeit mit Mehreinnahmen von bis zu 250 Millionen Euro rechnen.

Steuerzahler zahlt Hochzeit

Die Kosten für die Hochzeit hat der schwedische Steuerzahler zu tragen und der ist über die geplanten Ausgaben in Höhe von 2,2 Millionen Euro nicht gerade erfreut. Magnus Simonsson, Pressesprecher von Republikanska Föreningen, der schwedischen Anti-Monarchie-NGO, ist überzeugt, dass diese Hochzeit politische Konsequenzen haben wird, denn die Hochzeit habe die Debatte über die Monarchie befördert: "Als sich die Medien auf die Hochzeitsvorbereitungen und die Königsfamilie gestürzt haben, begannen die Menschen darüber nachzudenken, ob es richtig sei, dass der König das Staatsoberhaupt des schwedischen Volkes ist. Und ob das Staatsoberhaupt nicht vielleicht doch demokratisch gewählt sein sollte. Man ist der Königsfamilie ein wenig überdrüssig geworden." Ein immer größerer Teil der Schweden unterstützt die Republikaner in ihrem Ansinnen, die Monarchie abzuschaffen. Bevor die Hochzeit im Februar 2009 verkündet wurde, habe die NGO 2.800 Mitglieder gehabt, heute seien es bereits 6.500. Ähnlich verhält es sich mit der Zahl der Komplizen im Geiste: Laut einer aktuellen Umfrage sprechen sich nur noch 46 Prozent für den Erhalt der Monarchie aus. 1996 waren das noch 70 Prozent. "Der König ist eine der mächtigsten Personen im Staat und benutzt seine Position als Staatsmann täglich, um Netzwerke zu knüpfen. In der letzten Parlamentsdebatte ging es um das Jagen von Wölfen. Inoffiziell war klar, dass er vor allem sein Interesse als Jäger durchsetzte", kritisiert Simonsson.

Wirbel um die Gästeliste

Die hochkarätige Gästeliste ist für die Boulevard-Journaille ein gefundenes Fressen, aber auch für Stockholms politische Reporter. Nicht nur Europas gekrönte Häupter sowie Politiker jeder Couleur werden anwesend sein sondern auch – und das hat vorab zu einiger Aufregung geführt – die Botschafter diverser Staaten, die im Verdacht stehen, nicht demokratisch zu sein. In einer Meldung vom vergangenen Donnerstag berichtete Schwedens Nachrichtenagentur TT Tidningarnas Telegrambyrå über den Ärger, den die Hochzeitseinladungen an die Gesandten von Nordkorea, Eritrea, Zimbabwe, Weißrussland, Saudi-Arabien, Iran, Ägypten, Kuba, Libyen, Kongo und Sudan ausgelöst haben. Allen voran Politiker aus dem linken Spektrum und der bekannte schwedische TV-Journalist Lars Adaktusson haben sich öffentlich beschwert.

Viel Wirbel gab es aber nicht nur um die Kosten und die Gäste, sondern auch über Victorias Plan, sich vom Vater zum Altar führen zu lassen, anstatt wie in Schweden üblich, gemeinsam mit dem Bräutigam durch die Kirche zu schreiten. Dieses amerikanisch-romantisierte Ritual will den Schweden so gar nicht in Kram passen. Die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in allen Lebensbereichen ist für die Schweden eine ihrer wichtigsten Errungenschaften und hat geradezu identitätsbildende Funktion für die Nation. Selbst die lutherische Kirche, die sich sonst wohl eher zurückhält, das Für und Wider einer Monarchie zu diskutieren, hat sich negativ dazu geäußert.

Hochzeit vor 43 Jahren löste Begeisterung aus

Der Wunsch vieler heiratswilliger Paare nach dem kirchlichen Ritus, dem sakralen Rahmen, ist nach wie vor weit verbreitet. Zu wenig glamourös ist das Erscheinungsbild vieler Standesämter, auch die Rede des Beamten ist zumeist weniger festlich als der liturgische Trauspruch des Pfarrers. Dem schwedischen Paar dürfte es hier nicht anders gegangen sein. Neben dem Oberhofprediger, dem Erzbischof und dem Dompropst wird auch die Bischöfin von Lund bei der Trauung zugegen sein und einen Teil der Liturgie verlesen. Das Besondere: Dr. Antje Jackelén stammt ursprünglich aus dem Ruhrgebiet. Sie lebt seit 33 Jahren in Schweden und ist seit 2007 Bischöfin der Lutherischen Kirche. Auf die Frage, ob sich die Kirche für einen politischen Zweck instrumentalisieren lasse, reagiert sie gelassen: "Das Brautpaar ist Mitglied der Kirche, natürlich hat es das Recht, kirchlich getraut zu werden. Da gäbe es ja keinen Anlass, das nicht zu tun. Und ich meine, dass leitende Politiker und andere Staatsoberhäupter zugegen sind, das ist ja nicht gerade ein Nachteil. Nein ich denke schon, dass die schwedische Kirche ihn ihrer jetzigen Position durchaus den christlichen Auftrag leben kann, Kirche zu sein, auch in kritischer Solidarität mit dem Staat."

Magnus Simonsson von Republikanska Föreningen glaubt nicht, dass am Samstag Politik gemacht werde. Selbst Politiker, die den Republikanern nahe stünden, würden kein Aufheben machen, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Tatsächlich mag die Hochzeit von Kronprinzessin Victoria und Daniel Westling nicht der richtige Rahmen für eine derart staatstragende Debatte sein, doch die Statistiken und der offenbar im Volke vorhandene Unmut könnten im Nachgang zur Hochzeit zu weiteren Diskussionen führen. Oder ganz im Gegenteil. Als der amtierende Monarch Carl XVI. Gustaf vor 43 Jahren eine gewisse Silvia Sommerlath ehelichte, entfachte das eine neue Woge der Begeisterung für das Königshaus. Und Daniel Westling ist ein Bürgerlicher und dazu noch ein Mann, der beruflich immer hinter einer Frau zurückstehen wird. Das könnte die auf Gleichberechtigung getrimmten Schweden mit der Monarchie versöhnen.