Reiseführer, WM-Kommentator: Viele Aufgaben für Schaffner
Zusatzaufgaben für die Schaffner im ICE: Während der WM kündigen sie nicht nur die nächsten Verbindungen und Bahnhöfe an, sondern auch die Spielstände und reichen Erfrischungstücher.
18.06.2010
Von Ursula Ott

Meine Woche vom 14. Juni bis 18. Juni

Montag

Neuer Job für meine Bahnschaffner im ICE: Sie müssen jetzt auch noch den Spielstand des aktuellen WM-Spiels durchgeben. Und das Endergebnis. Sie machen das mit der selben Leidenschaftslosigkeit, mit der sie den nächsten Umsteigebahnhof durchgeben. "Wir erreichen in Kürze Frankfurt-Flughafen-Fernbahnhof. Im Spiel Japan gegen Kamerun steht es zur Halbzeit Einszunull." Das sagt der alles ohne einmal Luft zu holen. Ich muss an das aktuelle chrismon-Heft denken, in dem der Sport-Kommentator Marcel Reif behauptet, Fußball habe mit hemmungslosem Enthusiasmus zu tun. Vielleicht sollte der mal als Gast-Kommentator in den ICE steigen? Schließlich kocht ja auch Sarah Wiener im Bordrestaurant. Warum nicht Marcel Reif als Durchsager im Großraumwagen?

Dienstag

Andererseits: Was sollen sie denn noch alles machen, die Schaffner? Heute morgen kommt mein Zugbegleiter erst einmal vorbei und verteilt Reisepläne, dann kommt er mit Erfrischungstüchern. Erst beim dritten Anlauf hat er seine Maschine dabei. "Ach, Fahrkarten wollen sie auch noch kontrollieren?" Er muss selber lachen, denn wahrscheinlich hat er als kleiner Junge bestimmt mal davon geträumt, Züge zu steuern oder zumindest Fahrkarten abzuknipsen. Aber bestimmt nicht davon, Erfrischungstücher zu verteilen.

Mittwoch

Dabei haben die Schaffner noch Glück, dass es ihnen nicht geht wie den Stewardessen mancher Billig-Airline. Neulich auf dem Flug nach Berlin. Eine Stewardess begrüßt uns, zeigt uns die Notausgänge und fragt dann, ob wir schon diese neuen Pfefferminzbonbons probiert haben. Die würden jetzt gleich verteilt. Wenigstens das müssen sie bei der Bahn nicht machen. Tictac verteilen, das müssen sie schon mal. Aber ohne Worte.

Donnerstag

Und noch ein Job: Wir fahren auf dem Rückweg von Berlin über Göttingen und Fulda, draußen rauscht ein Berg an uns vorbei, der aussieht wie ein abgesägter Salzstreuer. "Können Sie mir sagen, welcher Berg das ist?" fragt eine Touristin den Schaffner. Aber der kommt womöglich aus Greifswald oder Geislingen – jedenfalls weiß er es nicht. Und was soll er auch noch alles wissen? Wer eine Fremdenführung will, soll mit dem Bus fahren oder dem Kreuzfahrdampfer.

Freitag

Ich mach heute was ganz Perverses: Ich fahre mit der Bahn während des Deutschland-Spiels. Geht nicht anders, zeitlich, außerdem kann ich mir so die Reservierung ersparen. Ist bestimmt total leer, der Zug, und die Durchsagen kann sich der Schaffner auch sparen. Wer zu dieser Zeit freiwillig Bahn fährt, ist eh kein Hardcore-Fan. Oder hat ein I-Phone. Viel Spaß beim Gucken und schönes Wochenende!


Über die Autorin:

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de.

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