Glauben jenseits der Kirche - Drewermann wird 70
Er ist unbequem, er kritisiert, er polarisiert: Der Kirchenkritiker Eugen Drewermann wird 70. Und ist in der Missbrauchskrise der katholischen Kirche wieder ein gefragter Gesprächspartner.

Vor fünf Jahren hat sich Eugen Drewermann einen Kirchenaustritt zum Geburtstag geschenkt. Es sei ein Geschenk der Freiheit gewesen, sagte der ehemalige Priester, der ehemalige Dozent der katholischen Dogmatik, das ehemalige Mitglied der Kirche damals. Es war ein Schlussstrich unter seine besondere Beziehung zur römischen Amtskirche und ein Abschied von der Hoffnung, die Organisation von Innen heraus verändern zu können. Heute wird der eifrige Vortragsreisende und Buchautor 70 Jahre alt.

Als die katholische Kirche in diesen Monaten die Krise der zahllosen Missbrauchsfälle durchlebte, war Drewermann wieder ein gefragter Gesprächspartner der Medien. Gelassen konnte er auf seine Bücher verweisen - das habe er doch schon vor 20 Jahren geschrieben. Gemeint ist "Kleriker - Psychogramm eines Ideals" (1989), das ihm endgültig das Etikett des Kirchenrebells einbrachte. Seine These: Die Kirche schade der Psyche ihrer Kleriker.

Ab 1992 Predigtverbot

Der im westfälischen Bergkamen als Sohn eines Bergmanns geborene Drewermann studiert Philosophie in Münster, Theologie in Paderborn und Psychoanalyse in Göttingen. Ab 1979 lehrt er in Paderborn als Privatdozent für Dogmatik an der katholischen Fakultät und betreibt nebenher seine psychotherapeutische Praxis.

1991 entzieht der Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt die kirchliche Lehrerlaubnis, 1992 erteilt er Drewermann Predigtverbot und verbietet ihm die Ausübung des Priesteramtes. Drewermann spricht von blankem Fundamentalismus. Treibende Kraft soll der damalige Kurienkardinal Ratzinger und spätere Papst Benedikt XVI. gewesen sein.

Auch nach dem Bruch mit der Amtskirche verstummt Drewermanns Stimme nicht. Er schreibt rund 70 Bücher, hält Vorträge und ist ein häufiger Gast in Talkshows. Seine Stimme ist sanft, seine Worte oft umso härter. Er legt nicht nur die Bibel, sondern auch Märchen tiefenpsychologisch aus.

"Was würde Jesus tun"? als Richtschnur

Das Berufsverbot adelt ihn und er wird neben Hans Küng und Uta Ranke-Heinemann der profilierteste Kirchenkritiker in Deutschland. Und er beschränkt sich nicht auf kirchlich-religiöse Themen. So wendet er sich öffentlich gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan und unterstützt 2005 in einem Wahlaufruf die Linkspartei.

In der aktuellen Missbrauchsdebatte formuliert er seine Kritik an den Strukturen der römisch-katholischen Kirche. Man könne nicht einfach die Fehler der Kirche den Menschen anlasten, die Kirche selbst aber als heilig überhöhen und alles unverändert lassen. Das ganze System stünde vor dem Ende, wenn die Kirche erkennen würde, dass die Sexualmoral, das Papsttum, die Spaltung von Gott und Mensch und der Unfehlbarkeitsanspruch verkehrt seien.

Richtschnur seines Handelns sei die Frage: Was würde Jesus tun?, betont Drewermann. Asketisch lebt er in Paderborn ohne Auto, ohne Telefon, Computer und Kühlschrank. "Ich vermeide, Dinge zu haben, die mich belasten und konzentriere mich auf das Wesentliche."

dpa