TV-Tipp des Tages: "Die Hitzewelle" (Sat.1)
In "Die Hitzewelle" kocht der Ruhrpott - allerdings wirklich. Denn ein heißer Sommer lässt die Ruhr und ihre Stauseen austrocknen. Für die dichtbesiedelte Region eine Katastrophe.
16.06.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Die Hitzewelle", 16. Juni, 20.15 Uhr, Sat.1

So haben sie sich das mit dem "Schmelztiegel" im Ruhrgebiet nicht vorgestellt. Wenn Deutschland von einer lang anhaltenden Dürre heimgesucht wird, geht's zwischen Essen und Dortmund besonders heiß her: Der größte Ballungsraum Europas ist auf die Ruhr und ihre Stauseen angewiesen. Geht dem Fluss das Wasser aus, vertrocknet die gesamte Region. Ein heißer und angesichts der diversen Rekordsommer in den letzten Jahren auch höchst brisanter Stoff, aus dem beispielsweise TeamWorx ("Tornado") vermutlich einen packenden Zweiteiler gemacht hätte. Doch "Die Hitzewelle" musste offensichtlich deutlich preiswerter ausfallen als die "Event-Movies", und deshalb gibt's die Waldbrände nur als Meldung in den TV-Nachrichten, eine Demonstration gegen die Wasser-Rationierung besteht bloß aus einer kleinen Gruppe, und das unvermeidliche große Sterben reduziert sich auf einen Blick in einen nicht mal überfüllten klimatisierten Raum.

Trotzdem wirkt der Film realistisch, weil das Drehbuch von Sarah Schnier und Carl-Christian Demke anscheinend auf sorgfältig recherchierten Fakten basiert. Die eigentliche Katastrophe rückt dabei in den Hintergrund, die Geschichte konzentriert sich auf die Figuren. Im Mittelpunkt steht die Meteorologin Martina Fechner (Susanna Simon). Gemäß den Regeln des Genres hat sie das Ungemach kommen sehen, aber niemand wollte ihr glauben. Nun wird sie zur Leiterin des Krisenstabes ernannt, nicht ahnend, dass der ehrgeizige Berater (Martin Lindow) des Ministerpräsidenten sie als wichtigste Figur eines perfiden Plans benutzt. Und noch einer kocht sein eigenes Süppchen: Der Chef des mächtigen regionalen Energieversorgers sieht zunächst gar nicht ein, die Ressourcen des firmeneigenen Stausees zur Verfügung zu stellen. Weil er das Wasser nach Kühlung des Kraftwerks in den See zurückgeleitet hat, sind durch die Erhitzung hochgiftige Keime entstanden; nun droht auch noch eine Seuchengefahr.

Da Schnier und Demke den Stoff ernst genommen haben, ist "Die Hitzewelle" kaum mit den üblichen Genrefilmen zu vergleichen, bei denen eine dünne Geschichte vor allem Vorwand für packende Effekte ist. Sieht man mal von den völlig verwaisten Autobahnen und den im Computer generierten Aufnahmen von gestrandeten Containerschiffe im ausgetrockneten Rhein ab, hat der Film auch kaum spektakuläre Bilder zu bieten. Die gut 40 Grad äußern sich in von Form von fahlen, ausgewaschenen Farben und eindrucksvollen Schwitzflecken. Selbst der enorm talentierte Gregor Schnitzler ("Soloalbum", "Ich bin eine Insel") aber hat es nicht geschafft, aus Susanna Simon eine Heldin zu machen, bei der man mitfiebert. Eher ein Fremdkörper ist daher auch die unvermeidliche Romanze mit Dirk Berger, dem Leiter des Kraftwerkstausees (Johannes Brandrup), der sich allerdings als verheirateter Mann entpuppt. Die Affäre scheint ohnehin nur Vorwand zu sein, damit Martina gegen Ende, als alles ganz schnell gehen muss, auf die drohende Seuchengefahr aufmerksam wird: Bergers Bruder hat ein Gestüt und holt sich das nötige Wasser aus dem Stausee. Als seine Kinder kurz drauf mit Lungenentzündung ins Krankenhaus müssen, ahnt die Meteorologin gleich, in welcher Gefahr die Region schwebt.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).