"Feuer frei" in Utah: Häftling vor blutiger Hinrichtung
Ein in den USA Inhaftierter wird aller Voraussicht nach in dieser Woche hingerichtet. Auf seinen Wunsch hin per Todesschuss - als Protest gegen den "staatlich sanktionierten Mord".
15.06.2010
Von Gabriele Chwallek

Die Entscheidung eines Ausschusses am Montag fiel einstimmig. Es gibt keine Gnade für Ronnie Lee Gardner. Und das heißt: Schreiten nicht noch Gerichte ein, wird er wahrscheinlich um kurz nach acht Uhr am Freitagmorgen deutscher Zeit im Staatsgefängnis von Utah durch Gewehrkugeln sterben. Schüsse statt Giftspritze - so hatte es sich der 49-Jährige im April selbst ausgesucht, als 25 Jahre nach dem Todesurteil schließlich der Hinrichtungstermin festgesetzt wurde: 18. Juni, gleich nach Mitternacht Ortszeit.

Gardner hatte 1985 bei einem Fluchtversuch in einem Gerichtsgebäude einen Rechtsanwalt getötet. Er würde zum dritten Gefangenen, der seit Wiedereinführung der Todesstrafe 1976 in den USA durch ein Erschießungskommando getötet wird - zum dritten in Utah, das damit erneut in Schlagzeilen gerät, die es nicht will.

Ein Vierteljahrhundert gewartet

Journalisten aus aller Welt waren 1996 ins dortige Staatsgefängnis geströmt, als der verurteilte Kindermörder John Albert Taylor im Kugelhagel starb. Davor war es Gary Gilmore, der 1977 Sekunden vor den Schüssen seine Scharfrichter aufforderte: "Let's do it", nun macht schon.

Auch jetzt kommt auf das Gefängnis in Draper ein Ansturm von Reportern aus aller Welt zu. Ungewöhnlich: Denn ist die Zahl der Hinrichtungen in den USA in den letzten Jahren zurückgegangen, sind sie doch immer noch so häufig, dass die Öffentlichkeit meistens kaum Notiz davon nimmt. In diesem Jahr waren es bis zum 10. Juni 27, hat das Todesstrafen-Informationszentrum in Washington aufgelistet. Aber alle Häftlinge starben "sauber", durch eine Giftinjektion. Bei Gardner dagegen wird Blut fließen, das, so heißt es, in einer Art Schüssel aufgefangen wird.

"Staatlich sanktionierte Morde"

Gilmore konnte sich seinerzeit für Erschießen oder Erhängen entscheiden. Er sagte, er wolle dem Staat nicht die Gelegenheit geben, sich hinter einer "unblutigen" Hinrichtung zu verstecken. Der Welt müsse die Barbarei von Exekutionen drastisch vor Augen geführt werden.

Ähnlich hatte sich auch Taylor geäußert, der - wie jetzt Gardner - durch eine Giftinjektion hätte sterben können. Taylor erklärte, dass er durch die blutige Exekutionsmethode auf die Hinrichtungen in den USA als "staatlich sanktionierte Morde" aufmerksam machen wolle.

Gegen die Mär von der humanen Hinrichtung

Gardner hat - jedenfalls bis zum Dienstag - nicht klar gemacht, warum er erschossen werden will. Utah hat 2004 die Erschießungskommandos abgeschafft, nur noch davor verurteilte Häftlinge können sie wählen. Vielleicht hat Gardner ähnliche Gründe wie seine "Vorgänger", vielleicht hält er das blutige Sterben aber auch für leichter und schneller als das mit der Giftspritze. Schließlich hat es mittlerweile eine Reihe von Fällen gegeben, in denen lange in den Armen der Delinquenten herumgestochert wurde, um eine geeignete Vene für den tödlichen "Cocktail" zu finden, Fälle, in denen der Todeshäftling anscheinend Qualen erlitt, weil das zuerst verabreichte Betäubungsmittel nicht ausreichte.

Menschenrechtsorganisationen hoffen - wie auch damals bei Taylor - dass der Wirbel um Gardners Exekution die Diskussion über die Todesstrafe neu belebt. Aber zugleich befürchten sie, dass dadurch die Hinrichtungen durch die Giftspritze "human" erscheinen - was sie nicht seien. Jede Hinrichtung, so betonen etwa Amnesty International oder Human Rights Watch, sei barbarisch: "Es gibt keine humanen Exekutionen."

Sanitäter für die Zeugen

Und das kommt voraussichtlich am Freitag auf Gardner zu. Er wird auf einen Holzstuhl geschnallt. Nachdem eine Kapuze über sein Gesicht gezogen worden ist, wird mit einem Stethoskop festgestellt, wo genau sein Herz schlägt und die Stelle dann mit einem Stück Tuch markiert, bei Taylor war es rot.

Fünf Todesschützen stehen bereit, rekrutiert aus den Reihen der Strafverfolgungsbehörden. Sie schießen gleichzeitig, einer von ihnen mit einer Platzpatrone, damit offen bleibt, wessen Schüsse tödlich waren. Das soll lebenslange Schuldgefühle verhindern. Und vermutlich werden auch Sanitäter bereitstehen, wie damals bei Taylor: für den Fall, dass die Augenzeugen der Hinrichtung den blutigen Anblick nicht verkraften. 

dpa