Ver.di läuft Sturm gegen Diakonie-Pläne zum Tarifvertrag
Nach wie vor gibt es für einen Angestellten der EKD keinen Tarifvertrag und kein Streikrecht. Die Diakonie sucht einen Ausweg aus der Tarifblockade durch die Mitarbeitervertreter - allerdings will sie den Arbeitnehmern kaum Mitspracherecht gewähren. Ver.di und Arbeitnehmervertreter laufen Sturm gegen die Pläne des Diakonischen Werks und eine Einigung scheint in weite Ferne gerückt.

Das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) will die Blockade in den Gesprächen über Löhne und Arbeitsbedingungen aufbrechen. Die Bundesversammlung der Diakonie beschloss am Dienstag in Berlin mit großer Mehrheit, die Stellung der Arbeitnehmer in der paritätisch besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission (ARK) zu stärken. Die Gewerkschaft ver.di und Arbeitnehmervertreter lehnten die Entscheidungen umgehend ab. Sie fordern Tarifverträge und auch das Streikrecht für Beschäftigte der Diakonie.

Kooperationsunwillige Mitarbeitervertreter ausschließen

"Wir müssen die Blockade aufbrechen", appellierte Diakonie-Vorstand Wolfgang Teske an die Mitglieder der Konferenz. Der Arbeitnehmerseite will der Bundesverband der Diakonie mit Zugeständnissen entgegenkommen. Zugleich sollen jedoch kooperationsunwillige Mitarbeitervertreter aus dem Gremium ausgeschlossen werden. Die Arbeitnehmer weigern sich seit Monaten, in der ARK mitzuarbeiten. Dort werden die Tarife ausgehandelt.

Den Beschlüssen zufolge erhalten die Mitarbeitervertreter mit sofortiger Wirkung ein eigenes Jahresbudget, um für die Tarifverhandlungen sachkundige, externe Beratung bezahlen zu können. Das Jahresbudget soll bis zu 100.000 Euro betragen. Auf diese Weise werden strukturelle Nachteile der Arbeitnehmerseite zumindest zum Teil beseitigt, hofft die Diakonie.

Aufwertung der ARK beschlossen

Darüber hinaus soll die ARK, in der die komplexen und konfliktreichen Tarifgespräche geführt werden, aufgewertet werden. Sie soll deshalb ab sofort nicht mehr Teil der Rechtsabteilung des diakonischen Bundesverbandes sein, sondern eine rechtlich selbstständige Organisation im Diakonischen Werk mit einem eigenen Geschäftsführer. Die Fachaufsicht über den Geschäftsführer liegt beim Vorstand der Arbeitsrechtlichen Kommission.

Außerdem hat die Diakonische Konferenz in Berlin beschlossen, dass ein großer Teil der Mitarbeitervertretungen bis 2013 an Beratungen der ARK nicht mehr teilnehmen soll. Damit reagiert die Diakonie auf die Tatsache, dass die Neubesetzung des Gremiums seit Monaten von Arbeitnehmervertretern blockiert wird. Die Mehrzahl der Mitarbeitervertreter weigert sich bis heute, ihre Delegierten für die ARK zu wählen.

Zwang zur Einigung

Nach dem sogenannten "Dritten Weg" der Kirchen werden die Tarife in paritätisch besetzten Kommissionen verhandelt. Es besteht ein Zwang zur Einigung, in letzter Instanz ist nach dem kirchlichen Satzungsrecht der Beschluss einer Schiedsstelle für beide Seiten bindend. Streik und Aussperrung sind nach dem kirchlichen Arbeitsrecht verboten.

Diesen Sonderweg der Kirchen will ein großer Teil der Mitarbeitervertreter nicht mehr gehen. Sie verlangen ein Tarifrecht nach dem Vorbild der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand. Das wiederum stößt auf massive Ablehnung bei den diakonischen Arbeitgebern wie auch bei sämtlichen Spitzengremien der verfassten Kirche.

Nach dem Beschluss der Diakonischen Konferenz dürfte sich etwa die Hälfte der Mitarbeitervertretungen an den Verhandlungen in der bundesweit tätigen ARK nicht mehr beteiligen. An ihre Stelle sollen andere, meist mitgliederschwächere Arbeitnehmerorganisationen treten wie etwa die Verbände kirchlicher Mitarbeiter.

Forderung nach fairen Tarifverträge

Mitarbeitervertreter aus mehreren Diakonie-Einrichtungen hatten zuvor am Tagungsort auf Flugblättern für mehr Mitbestimmungsrechte geworben. "Die Mitarbeiter wollen, dass ihre Arbeit wertgeschätzt und entsprechend vergütet wird", sagte Meike Jäger, Landesfachbereichsleiterin der Gewerkschaft ver.di. Das solle in einem fairen Tarifvertrag mit klarem Rechtsanspruch festgelegt werden. Die AVR seien nicht mehr zeitgemäß, sagte Jäger.

"Die Arbeitgeber verwandeln das kirchliche Arbeitsrecht in eine Farce und erklären damit den Bankrott des Dritten Weges", hatte Michael Heinrich bereits am Montag kritisiert. Dadurch werde kirchliches Arbeitsrecht vergiftet, sagte der Sprecher der Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaften der Mitarbeitervertretungen. Künftig seien die Vertreter der Beschäftigten "der Willkür und Gestaltungsmacht der Arbeitgeberseite wehrlos ausgeliefert". Heinrich forderte Tarifverträge und grundlegende Arbeitnehmerrechte wie das Streikrecht auch für die Beschäftigten der Diakonie.

epd