"Kommissar Wallander: Die falsche Fährte", 15. Juni , 22.00 Uhr im WDR
Es gibt Rollen, die jahrelang geduldig auf einen Schauspieler warten. Zwischendurch versuchen sich, sogar mit Erfolg, auch andere an den Figuren, aber wenn der eine endlich da ist, gehen Darsteller und Dargestellter eine perfekte Symbiose ein. Bei allem Respekt vor allem vor der Leistung Rolf Lassgårds, der nicht nur für Henning Mankell der ideale Kurt Wallander war, oder auch vor Krister Henriksson, für den Mankell sogar eigene Geschichten erfand: Kenneth Branagh spielt in einer anderen Liga. Die britischen Produktionen, die in Zusammenarbeit unter anderem mit der ARD-Tochter Degeto entstanden, destillieren die Düsternis die Mankell-Romane zu einem filmischen Ereignis von seltener Trostlosigkeit; und Branagh, für seine Leistung mit dem bedeutenden britischen TV-Preis Bafta ausgezeichnet, ist ein derart trauriger und von den Gräueltaten seiner Mitmenschen schockierter Wallander, dass seine Verkörperung des melancholischen schwedischen Kriminalkommissars zutiefst anrührt.
Geschichte von besonderer Grausamkeit
"Die falsche Fährte" ist eine Geschichte von besonderer Grausamkeit; selbst wenn sich der abstoßendste Teil gewissermaßen außerhalb der Bildfläche abspielt. Deshalb tappt Wallander auch so lange im Dunkeln. Und weil es einem als Zuschauer über weite Strecken nicht einen Hauch besser ergeht, bietet sich die Handlung als undurchsichtige Verkettung brutaler Morde dar, für die es offenbar keine Erklärung gibt. Dabei liegt der Schlüssel zur Lösung raffinierterweise bereits im ersten Satz, der gesprochen wird: Vor Wallanders Augen überschüttet sich ein junges Mädchen mit Benzin und zündet sich an. Kurz drauf wird er zu einem Tatort gerufen: Ein früherer Justizminister ist mit einer Axt erschlagen und zum Teil skalpiert worden. Es folgen ein Kunsthändler, ein Hehler und ein Playboy. Die Handschrift ist immer die gleiche. Dem Hehler wurden allerdings auch die Augen mit Säuren verätzt; und endlich hat Wallander eine Abweichung vom seriellen Muster, bei der er ansetzen kann.
Besonderes Merkmal des Films ist die Bildgestaltung (Kamera: der für "Slumdog Millionär" mit einem "Oscar" ausgezeichnete Anthony Dod Mantle). Wie stets in den skandinavischen Krimis liefern erlesen gefilmte Landschaften (gedreht wurde im südschwedischen Ystad) einen reizvollen Kontrast zum Grauen der Handlung; aber selten sah Schweden so trostlos aus. Dass der ohnehin melancholische Mankell permanent Ärger mit seinem an Alzheimer erkrankten Vater (David Warner) hat, hebt seine Laune auch nicht gerade; also schützt er sich mit beißendem Sarkasmus gegen die menschlichen Abgründe, in die ihn die Ermittlungen führen.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).