Multikulturelle Klinik-Seelsorge - wie geht das?
Was ist zu tun, wenn ein muslimischer Patient ein Medikament verweigert, das Alkohol enthält? Wie kann eine Sterbebegleitung für einen unheilbar an Krebs erkrankten Muslimen aussehen? Wie lässt sich die Tradition ost- und südeuropäischer Kulturen, Trauer durch lautes Klagen und Weinen auszudrücken, in die deutschen Krankenhäuser integrieren? Mit diesen Fragen befasste sich am vergangenen Wochenende in Bad Homburg die Tagung "Religiöser Pluralismus in der Klinikseelsorge".
14.06.2010
Von Gabriela Reff

"Die Realität hat sich von den vorhandenen Strukturen gelöst", stellte der Frankfurter Pfarrer für Altenheim-, Krankenhaus- und Hospizseelsorge, Winfried Hess, fest. Beeindruckt hat den Seelsorgeausbilder bei seinem zweijährigen Aufenthalt in den USA die dortige Zusammenarbeit von Muslimen, Juden und Christen, die er sich auch in Deutschland wünscht. In seinen eigenen Seelsorgekursen, an denen Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen teilnehmen, lege er deshalb großen Wert auf kulturelle und religiöse Aspekte. "Ich möchte den leidenden Menschen nahe sein und sie aus ihrer Tradition heraus begleiten", beschreibt Hess sein Ziel.

Auf die Unterschiede zwischen den USA und Deutschland wies der Sprecher der Deutschen Unitarier, Reverend Eric Hausmann, hin. Die Krankenhausseelsorger in den USA würden von den Kliniken bezahlt, die auch die Seelsorgeausbildung übernähmen. Zudem seien viele Klinikseelsorger Unitarier, was das Mitgehen auf unterschiedlichen religiösen Wegen möglicherweise erleichtere. Denn Unitarier seien eine freiheitliche religiöse Gemeinschaft, die offen sei für Menschen unterschiedlichen Glaubens.

Keine ehrenamtlichen Seelsorger

Hess ist skeptisch, ob das US-amerikanische Modell in Deutschland funktionieren kann. Zu "imperialistisch" könne eine zentralistisch organisierte Seelsorgeausbildung auf die deutsche Befindlichkeit wirken. Auch der katholische Seelsorger an der Frankfurter Universitätsklinik, Rainer Frisch, sieht in einem solchen Systemwechsel keinen Vorteil. Er halte das deutsche System für besser. "Dass ich als Vertreter der Kirche außerhalb des Gesundheitssystems stehe, gibt mir gegenüber Patienten und Klinikpersonal eine ganz andere Freiheit, mich einzubringen."

Muslime müssten deshalb genau überlegen, wie sie Seelsorge organisieren und aufbauen könnten. Auf jeden Fall sei sie notwendig, gerade auch in einer Stadt wie Frankfurt, ergänzte Frisch. Athenagoras Ziliaskopoulos, griechisch-orthodoxer Priester und Vorsitzender des Frankfurter Rates der Religionen, gab zu bedenken, dass Imame ebenso wie orthodoxe Geistliche nicht für die Seelsorge ausgebildet würden. Sie könnten auch nicht wie katholische und evangelische Kollegen auf die Unterstützung von ehrenamtlichen Seelsorgern setzen.

Der Imam im Zeitkorsett

Fehlende Ressourcen beklagte auch Ilhan Ilkilic, Mediziner und Islamwissenschaftler an der Universität in Mainz. Mit der Forderung nach einer professionellen Seelsorge seien Imame in Deutschland oft überfordert. Ein Imam, der fünfmal am Tag zum Gebet rufen müsse und der einzige Ansprechpartner seiner Gemeinde sei, habe schon rein zeitlich Probleme, einen Gläubigen in seiner letzten Lebensphase zu begleiten.

Ilkilic warnte deshalb auch vor einer "unkritischen Übernahme" christlicher Seelsorgekonzepte und kritisierte "unzureichende Qualitätsstandards in den vorhandenen Projekten zur Ausbildung islamischer Seelsorger". Wichtig sei ein "kultursensibel" geschultes Klinikpersonal, das ein Bewusstsein für die Barrieren zwischen Patienten und dem Behandlungsteam habe. Entsprechende Fortbildungen könnten von Ärztekammern und Berufsverbänden organisiert werden.

Für alle offen

Im Prinzip ist dies auch der Ansatz der Frankfurter Palliativ-Krankenschwester Dorothea Mihm. Die Vorsitzende des Vereins für Lebens- und Sterbepraxis verfolgt seit Jahren ein Projekt zur Gründung eines spirituellen Hospizes in der Rhein-Main-Region. Das Konzept auf buddhistischer Basis sieht eine Öffnung für Angehörige aller Religionen vor. 

epd