Auf diesen Moment haben Japans Wissenschaftler, Industrieführer und Politiker jahrelang hingefiebert. Wenn an diesem Sonntag aus der Tiefe des Alls die Kühlschrank-große Sonde "Hayabusa" mit den ersten jemals gesammelten Bodenproben eines Asteroiden zur Erde zurückkehrt, dürfte sich die Spannung im Kontrollraum der japanischen Weltraumbehörde JAXA ins Unerträgliche steigern. Denn was "Hayabusa", japanisch für Falke, von seiner sieben Jahre langen spektakulären Reise durch das Weltall an Beute mitbringt, könnte der Welt unschätzbare Erkenntnisse über die Entstehung unseres Sonnensystems liefern.
"Proben vom Mond hat man schon gesammelt, aber noch nie von einem Asteroiden", erklärt Tamihiro Yagioka von der Weltraumbehörde JAXA, und in seinen Worten schwingt der Stolz der gesamten Nation über diese in Kooperation mit Australien und der US-Raumfahrtbehörde NASA realisierte einzigartige Mission mit. Asteroiden sind Relikte des frühen Sonnensystems und Bausteine der Planeten wie der Erde. Doch ihre Beschaffenheit war für Wissenschaftler weitgehend rätselhaft. "Das Besondere daran ist, dass ein Asteroid über Informationen von der Zeit der Geburt des Sonnensystems verfügt", erklärt Yagioka.
Sieben Jahre unterwegs für ein bisschen echten Sternenstaub
Zwar stammen auch Meteoriten aus der Tiefe des Alls, doch die sind bei der Ankunft auf der Erde bereits "verschmutzt", sobald sie durch die Atmosphäre fliegen. Auch lässt sich in der Regel nicht feststellen, woher ein Meteorit genau kam. "Hayabusa" dagegen weiß, woher seine im Container geschützte Beute stammt: Vom erdnussförmigen Asteroiden Itokawa, rund 300 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Dorthin war der japanische Falke am 9. Mai 2003 aufgebrochen. Es sollte eine abenteuerliche Reise voller unerwarteter Hindernisse, aber auch Erfolge werden.
Als "Hayabusa" sein Ziel am 12. September 2005 erreicht, hat der Falke bereits rund zwei Milliarden Kilometer Flug hinter sich. Zunächst umkreist die Sonde den nach einem japanischen Raketenwissenschaftler benannten Asteroiden und macht detaillierte Fotos. Im November dann stößt sie einem Falken ähnlich auf den Asteroiden hinab und beginnt, Bodenproben zu nehmen. "Hayabusa" schießt dabei eine kleine Metallkugel von rund einem Zentimeter Durchmesser auf die Oberfläche des Asteroiden, wodurch der Boden gelockert und die auffliegenden Teilchen von der Sonde aufgesammelt werden sollen.
Stolpersteine auf dem Weg zurück
Die japanischen Forscher auf der Erde erfahren, dass es sich nicht wie bei anderen Asteroiden um einen Felsbrocken handelt, sondern um eine Art losen, kosmischen Geröllhaufen. Das Geröll sei sehr locker und porös und werde nur knapp durch die geringe Schwerkraft des kleinen Asteroiden zusammengehalten. Wenn ein Objekt mit dem nur 500 Meter langen Itokawa kollidiere, würde es wahrscheinlich wie ein Felsstück in einem Eimer voll Sand landen, berichteten die Forscher damals. Derweil machte sich "Hayabusa" wieder bereit für den Rückweg.
Doch plötzlich verlieren die Japaner die Kontrolle über ihren Falken: Aus einem der chemischen Antriebswerke, das die Position der Sonde kontrolliert, strömt Treibstoff aus. Und dann reißt auch noch die Kommunikation ab. "Wir dachten, unser Schiff würde nie mehr zurückkehren", erinnert sich einer der Wissenschaftler an die nervenaufreibende siebenwöchige Ungewissheit. Im Frühjahr 2006 dann Aufatmen: "Wie durch ein Wunder" klappt die Kommunikation wieder.
Ein "nationaler Schatz" für die Japaner
Doch das Zittern geht weiter: Die mit Ionen arbeitenden Zusatzantriebe lassen plötzlich nach. Zudem brechen zwei der drei Systeme, die die Höhe des Falken kontrollieren, und auch die Batterien machen Zicken. Wegen all dieser Probleme müssen die Japaner die für 2007 vorgesehene Rückkehr der Sonde zur Erde um drei Jahre verschieben. Doch nun geht das lange Warten und Bangen zu Ende. "Bald hast Du es geschafft, Hayabusa. Wir warten alle auf Dich!", schreibt ein aufgeregter Japaner auf der Webseite der Weltraumbehörde und drückt damit aus, was viele seiner technikbegeisterten Landsleute empfinden.
"Ich bin so gerührt, am liebsten würde ich Hayabusa fest umarmen und küssen", schreibt ein anderer. Andere lobpreisen die Mitarbeiter des Projekts als "nationale Schätze". Denn es ging dabei nicht nur um die Proben, sondern auch um die eingebauten Technologien. Die Sonde soll nämlich als Pionier den Weg für künftige Missionen dieser Art ebnen - und Japan damit die technologische Führerschaft sichern. JAXA plant bereits einen Nachfolger für "Hayabusa". Nach sieben Jahren und mehr als vier Milliarden Kilometern Flug wird der Falke gegen Mitternacht Ortszeit zurückkehren und seine Beute über Australien abwerfen - bevor er selbst in der Erdatmosphäre verglüht.