Islam-Theologe: "Erwartungen nicht zu hoch hängen"
Die Etablierung islamischer Theologie an deutschen Hochschulen ist nach Ansicht des Frankfurter Theologen Ömer Özsoy mit zu hohen Erwartungen für die Lösung gesellschaftlicher Probleme verknüpft. "Die islamische Theologie soll die Integration fördern, soll die Muslime modernisieren, soll den Islam reformieren - das alles auf einen Schlag kann keine Disziplin schaffen", sagte Özsoy in einem epd-Gespräch.

Eine wissenschaftliche Theologie müsse zudem ihre Forschungs- und Lehrziele selbst definieren, so Özsoy. Zunächst sei daher wichtig, das Selbstverständnis der islamischen Theologie in Deutschland und methodologische Fragen wie die Anwendbarkeit der historisch-kritischen Methode zu diskutieren.

"Die Muslime leben hier und sind darauf angewiesen, ihre eigene Religion und ihre Wurzeln zu reflektieren und durch ihre eigene Theologie kritisch begleitet zu werden", sagt Özsoy, seit 2006 Professor für Islamische Theologie an der Frankfurter Goethe-Universität. Bisher fehle es der islamischen Theologie in Deutschland an etablierten Methoden und an Fachpersonal, urteilt der Leiter des 2009 gegründeten Instituts für Studien der Kultur und Religion des Islam. Daher ist für ihn die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses vorrangiges Ziel. Zu diesem Zweck befindet sich an der Goethe-Universität ein Studiengang Islamische Theologie in Planung. Die drei Stiftungsprofessuren des Instituts werden von der türkischen Religionsbehörde Diyanet finanziert.

Religionslehrer statt Imame ausbilden

Auch die Ausbildung von islamischen Religionslehrern findet Özsoy dringlich, die von Imamen dagegen müsse erst von den Moscheevereinen, deren späteren Arbeitgebern, eingefordert werden. "Wenn sich jemand meldet, dann kann man sich darum kümmern, aber das ist noch nicht der Fall." Ähnlich wie bei der Pfarrersausbildung sei ohnehin eine Ergänzung durch religionseigene Ausbildungsinstitute nötig. Viele Kompetenzen wie zum Beispiel die Koranrezitation seien an der Universität alleine nicht zu vermitteln.

Die Empfehlung des Wissenschaftsrats, zur Einrichtung islamischer Studien wissenschaftliche Beiräte zu bilden, beurteilt Özsoy sehr kritisch. "Nirgendwo wird definiert, wer von wem dazu in der Lage gesehen wird, darüber zu entscheiden, wer über entsprechende Fachkompetenz verfügt und folglich im Beirat sitzen darf, der dann darüber entscheidet, wer wie und was zu lehren hat." Dass mancherorts fachfremde Wissenschaftler wie christliche Theologen bei der Zusammenstellung der Beiräte federführend seien, halte er für nicht angemessen. "Die Fachautonomie und die Authentizität der Lehre muss durch Muslime gewährleistet werden."

Neues Modell für Beiräte

Özsoy schlägt daher vor, nach dem Vorbild des evangelischen oder katholischen Fakultätentags eine Vereinigung der muslimischen Theologen, Religionspädagogen und theologischen Vertreter der Moscheevereine und Verbände zu gründen. "Das wäre der islamischen Tradition konform, weil der Islam keine Kirche und keine geistliche Autorität kennt, sondern nur die wissenschaftliche Autorität der muslimischen Gelehrsamkeit." Er fordert den Koordinationsrat der Muslime auf, die Diskussion eines Kriterienkatalogs für die Beiräte und die Einstellung von Professoren zu organisieren.

epd