Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hat auf dem Weg zur Bundespräsidentenwahl in rund drei Wochen ein rechtliches Hindernis aus dem Weg geräumt: Der Kandidat der schwarz-gelben Koalition legte am Freitag sein Abgeordnetenmandat im Landtag nieder. Damit löste er das formale Problem, dass ein Parlamentssitz laut Grundgesetz mit dem Amt des Bundespräsidenten nicht vereinbar ist. Die Opposition hatte den Verzicht auf das Mandat gefordert.
"Ich habe mich entschieden, das Mandat niederzulegen, um dem Amt des Bundespräsidenten nicht zu schaden", sagte Wulff im Landtag in Hannover. Außerdem kündigte er an, seinen Sitz im VW-Aufsichtsrat in der kommenden Woche abzugeben.
Ost-FDP stimmt wohl für Gauck
Ein glatter Durchmarsch für den schwarz-gelben Präsidentschaftsbewerber Wulff ist nicht sicher, zumal aus dem Lager der FDP immer wieder Störfeuer kommt. Sachsens FDP-Fraktion gibt den voraussichtlich drei von ihnen zu stellenden Wahlleuten keine Empfehlung für Wulff. Die Wahl sei "eine Gewissensentscheidung", sagte FDP-Landtagsfraktionschef Holger Zastrow in Dresden. Der Landesparteirat hatte sich mit großer Mehrheit für den Kandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, ausgesprochen.
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Außerdem stellten Sozialdemokraten und Grüne im Landtag in Sachsen eine gemeinsame Liste für die Wahl ihrer Delegierten in der Bundesversammlung vor. Allein aus verfahrenstechnischen Gründen dürfte dies zu einem Stimmenzuwachs für das rot-grüne Lager führen - zu Lasten einer CDU-Stimme. Wie viele Vertreter die einzelnen Länder in die Bundesversammlung entsenden dürfen, errechnet sich anhand ihrer Bevölkerungszahlen.
SPD will Wulff-Rücktritt noch vor der Wahl
Der SPD in Berlin ist es jetzt noch ein Dorn im Auge, dass Wulff erst als Regierungschef zurücktreten will, wenn er in der Bundesversammlung wirklich ins höchste Staatsamt gewählt ist. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, forderte den unverzüglichen Rücktritt.
"Christian Wulff muss jetzt klare Verhältnisse schaffen und vor der Sitzung der Bundesversammlung am 30. Juni auch als Ministerpräsident zurücktreten", sagte Oppermann der Nachrichtenagentur dpa. "Wulff muss die Haltung eines sicherheitsorientierten Karrierepolitikers aufgeben und als freier Mann ohne Rückfahrticket vor die Bundesversammlung treten."
Wulff konterte: "Die SPD hat offenkundig ein Problem, dem Amt des Bundespräsidenten den entsprechenden Respekt zu zollen. Der SPD gehen die Themen aus." CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kritisierte, Oppermann schieße mit seinen Vorwürfen "wieder einmal übers Ziel hinaus" und überziehe mit seinen Forderungen maßlos: "Die SPD-Führung muss Oppermann endlich zur Ordnung rufen."
Nahtloser Wechsel von Ministerpräsident zu Präsident ist möglich
Hätte Wulff erst nach dem Votum in der Bundesversammlung seinen Verzicht auf seinen Sitz im Landtag erklärt, hätte er das Amt des Bundespräsidenten nicht sofort antreten können. Denn das Landtagsmandat erlischt erst, wenn das Parlament den Verzicht bestätigt. Dies wäre aber erst am Tag nach der Bundesversammlung möglich gewesen. Das Staatsoberhaupt darf aber nach Artikel 55 des Grundgesetzes weder einer Regierung noch einem Parlament angehören.
Ein nahtloser Wechsel vom Amt eines Ministerpräsidenten in das höchste Staatsamt ist aus Sicht des Hamburger Verfassungsrechtlers Wolfgang Hoffmann-Riem möglich. "Wann jemand seine vorherigen Ämter niederlegt, ist nicht entscheidend - nur dass er es tut", sagte Hoffmann-Riem im Gespräch mit tagesschau.de.
Bevölkerung will Gauck eher als Wulff
Bei einer Direktwahl des Bundespräsidenten müsste sich Wulff laut einer Umfrage Gauck geschlagen geben. Für Gauck würden sich 40 Prozent der Bürger entscheiden, für Wulff 31 Prozent. Am 30. Juni wird der neue Bundespräsident von der Bundesversammlung gewählt.
Die Bundesversammlung besteht aus allen Bundestagsabgeordneten und der gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder gewählt werden. Sie umfasst in der 17. Wahlperiode also 1.244 Mitglieder (622 Bundestagsabgeordnete und 622 von den Landesparlamenten bestimmte Mitglieder).