Die Linke schickt die Abgeordnete Luc Jochimsen in die Bundespräsidentenwahl am 30. Juni. Die 74-jährige kulturpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion sitzt seit 2005 im Parlament. Sie war von 1994 bis 2001 Chefredakteurin beim Fernsehen des Hessischen Rundfunks (HR). Chancen, Nachfolgerin des am 31. Mai überraschend zurückgetretenen Horst Köhler zu werden, hat Jochimsen nicht. Favorit ist der schwarz-gelbe Kandidat Christian Wulff (CDU). Der von SPD und Grünen aufgestellte DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck hat Außenseiterchancen.
Linke stellt zehn Prozent der Wahlleute
Die CSU sieht die Koalition trotz der Sympathie-Bekundungen für Gauck aus den Reihen von Union und FDP nicht in Gefahr. In der FDP-Fraktion gab es zwar erneut Kritik am Auswahlverfahren für Wulff, der Ministerpräsident in Niedersachsen ist. Die allermeisten Abgeordneten signalisierten aber trotzdem Zustimmung. Schwarz-Gelb hat eine Mehrheit von mindestens 21 Stimmen. Die Linke stellt 124 oder 125 der 1244 Wahlleute in der Bundesversammlung und damit rund zehn Prozent.
Die Linksfraktion im Bundestag und Linken-Vertreter aus den Ländern sprachen sich am Dienstag in einer gemeinsamen Sitzung einstimmig für Jochimsen aus, wie die Nachrichtenagentur dpa aus Teilnehmerkreisen erfuhr. Jochimsen war 2005 über die Landesliste der thüringischen Linkspartei ins Parlament eingezogen und von den Parteichefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst vorgeschlagen worden.
Linke will Anwalt der kleinen Leute
Zuvor hatte es eine parteiinterne Debatte gegeben, ob die Linke einen eigenen Kandidaten nominieren soll. Ursprünglich hatte die Linke ein gemeinsames Vorgehen der Opposition angestrebt.
Linke-Chef Ernst sagte dem "Hamburger Abendblatt": "Wir erkennen die großen Verdienste von Herrn Gauck für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte an, daran gibt es gar nichts zu rütteln. Er ist zweifellos eine respektable Person." Doch in Zeiten von Sparprogrammen benötige man einen Anwalt der kleinen Leute, der sich auch mal gegen die Bundesregierung stelle.
Ob Mitglieder seiner Fraktion bei einem Scheitern Jochimsens im zweiten oder dritten Wahlgang für Gauck stimmen werden, wollte Ernst nicht ausschließen.
CSU-Chef Horst Seehofer sieht die Koalition trotz Sympathieäußerungen aus Union und FDP für Gauck nicht in Gefahr. Er gehe «davon aus, dass die Koalition ihren gemeinsamen Vorschlag auch gemeinsam tragen wird», sagte er in Berlin. «Ich habe nach Kontakten mit dem FDP-Vorsitzenden (Guido Westerwelle) gar keinen Zweifel, dass das stattfinden wird."
FDP-Kritik am Auswahlverfahren
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Altmaier (CDU), sagte über die Chancen Wulffs: "Ich bin überzeugt, dass er mit einem guten Ergebnis gewählt werden wird."
Bei einer Klausur der FDP-Bundestagsfraktion gab es Kritik am Auswahlverfahren für Wulff. Die Rückkoppelung der FDP-Spitze mit Fraktion und Partei sei ungenügend gewesen. Nur ein Abgeordneter ließ aber offen, ob er letztlich für Wulff oder für Gauck stimmen wird. Vor allem bei den ostdeutschen Abgeordneten genießt Gauck Sympathien.
Wulff verteidigte seinen Kurs bis zur Wahl Ende Juni. Er will sein Amt als Regierungschef erst niederlegen, wenn er zum Präsidenten gewählt ist. Er handle aus "Respekt vor der Bundesversammlung", bekräftigte er in Hannover. Er wolle sich nicht den Vorwurf einhandeln, "arrogant vorzugehen und sich der Sache zu sicher zu sein". Die Landes-SPD forderte, Wulff solle rasch als Regierungschef zurücktreten und die Parteipolitik hinter sich lassen.