TV-Tipp des Tages: "Windland" (BR)
Ein Krimi vor der Kulisse des Westerwalds ist unser TV-Tipp. Laura, acht Jahre alt, ist verschwunden und die Dorfbewohner haben schnell einen Verdacht. Nur Beweise fehlen.
08.06.2010
Von Tilmann P. Gangloff

"Windland", 8. Juni, 21.45 Uhr im Bayerischen Fernsehen (BR)

Auch der im Liedgut gepriesene wunderschöne Westerwald hat seine Abgründe. Dabei sieht die Landschaft in der Tat so aus, als könne sie kein Windhauch trüben; selbst wenn es Wind im Überfluss gibt. Trotz der diversen Windkraftspargel ringsumher ist die Zeit irgendwann stehen geblieben. Für Theo zum Beispiel vor zwanzig Jahren. So lange ist Theo schon weg. Aber in der Erinnerung der Dorfbewohner wird er für immer der Kerl bleiben, der dabei erwischt wurde, wie er sich an einem dreizehnjährigen Mädchen vergriffen hat. Deshalb zweifelt niemand daran, wer die acht Jahre alte Laura entführt und ermordet hat.

Joachim Król, obschon waschechter Westfale, passt perfekt in diese urwüchsige Landschaft. Król spielt Oskar, Theos Bruder. Oskar ist hier geblieben, hat den Vater bis zum Ende gepflegt und ist gewissermaßen das Forstamt des Dorfes. Den Vater der beiden Brüder konnte keiner leiden, Theo hat verständlicherweise auch keine Freunde, aber Oskar mag jeder.

Weiße Autos können grün aussehen

Oskar ist ruhig, defensiv; zu defensiv vielleicht. Lauras Mutter hält ihn für feige. Aber Oskar wartet nur auf den richtigen Moment, und der kommt, als Theo verhaftet wird: Er ist wegen der Beerdigung des Vaters zurückgekommen; die Polizei hat Lauras Puppe in seinem Auto gefunden. Kinder haben allerdings gesehen, wie Laura in ein grünes Auto gestiegen ist. Theos Auto ist nicht grün. Oskar hat eine Tochter in Lauras Alter, glaubt fest an die Unschuld seines Bruders und ermittelt auf eigene Faust. Der Kinderfreund aus dem Supermarkt zum Beispiel, der hat ein grünes Auto. Aber dann findet Oskar raus, dass auch weiße Autos grün aussehen können, und plötzlich passt alles zusammen.

Es gibt eigentlich keine schlechten Filme mit Joachim Król, aber dieser wäre auch ohne ihn sehenswert. Nach einem Drehbuch von Michael Schenk, der außerdem den Theo spielt, hat der krimiversierte Edward Berger („Schimanski“, „Unter Verdacht“) ein unspektakuläres und völlig unprätentiöses Werk inszeniert, das dank einer wenig prominenten, aber enorm prägnanten Besetzung in den Nebenrollen gleich ganz viele Geschichten erzählt.

Kein Krimi im klassischen Sinn

Zum Beispiel die von Oskars Ex-Frau Claudia (Birge Schade), die von ihrem neuen Freund Arno geschlagen wird; oder die von Babs (Anna Schudt), Lauras Mutter, die ein Verhältnis mit Lauras Freund hat. Bloß Jens Harzer fällt etwas aus der Rolle: Sein Arno ist ein ständig schreiender Choleriker. Schenk und Berger bauen ihn derart konsequent zum Antagonisten auf, dass er unmöglich der Mörder sein kann. Ohnehin ist „Windland“ kein Krimi im klassischen Sinn, eher eine Ansammlung kleinerer und größerer Dramen; und am Ende ist über allen Wipfeln Ruh’.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).