Trotz Sparen: Der soziale Friede muss gewahrt bleiben!
Die schwarz-gelbe Koalition hat das größte Sparpaket der deutschen Geschichte beschlossen. Kürzungen treffen vor allem den Arbeitsmarkt, junge Eltern und Bedürftige. FDP-Chef Guido Westerwelle nennt die Einschnitte "gerecht". Der Leiter des Diakonischen Werkes in Wuppertal, Martin Hamburger, ist anderer Meinung. Es dürfe nicht einseitig zulasten der sozial Schwachen gespart werden.
07.06.2010
Von Martin Hamburger

Wuppertal gehört zu den Kommunen, denen finanziell das Wasser bis zum Hals steht. Um ein weiteres Auseinanderklaffen zwischen Armen und Reichen zu verhindern, sind wir auf jede Hilfe von Bund und Land angewiesen.

Dazu gehören beispielsweise auch die Möglichkeiten der ARGE, langzeitarbeitslosen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die keine Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, sinnvolle Beschäftigungen im Rahmen von verschiedenen Maßnahmen anzubieten. Es geht dabei nicht um eine mehr oder weniger auskömmliche Grundsicherung, sondern um eine personenbezogene Wertschätzung, sozusagen eine Wertsicherung. Es ist nicht damit getan, Menschen das notwendige Geld bereitzustellen, damit sie sich Essen kaufen können und ein Dach über dem Kopf haben, sondern sie wollen sich ihren Gaben und Möglichkeiten entsprechend für unsere Gesellschaft einsetzen. Dazu sind die breitgefächerten Möglichkeiten des sogenannten zweiten Arbeitsmarktes notwendig.

Zahlreiche Menschen sind glücklich, wenn es für sie Sinn hat, morgens früh aufzustehen, um ihren Beitrag zu unserer lebenswerten Stadt zu leisten. Sie vernichten damit auch keine regulären Arbeitsverhältnisse, da es sich um Aufgaben handelt, die zusätzlich wahrgenommen werden. Friedrich von Bodelschwingh rief schon aus Bethel vor mehr als Hundert Jahren aus: Arbeit statt Almosen. Dies gilt bis heute unverändert, und es ist eine Aufgabe des Bundes, finanziert über die Bundesagentur für Arbeit. Hier darf nicht gespart werden.

Auch den anderen geplanten Einschnitten im Sozialbereich stehe ich kritisch gegenüber. Dies gilt für die Familienpolitik genauso wie für die Renten. Schon jetzt erhalten Jahr für Jahr mehr Menschen ergänzende Leistungen nach Hartz IV, weil ihre Renten die Grundversorgung nicht sicherstellen. Einschnitte bei der Rente wären nur ein Verschieben auf andere Hilfesysteme. Ähnliches gilt für Einschnitte bei der Kinderbetreuung, auch hier müssten wir die Zeche auf andere Weise zahlen.

Hinter all den jetzt diskutierten konkreten Maßnahmen zur Finanzkonsolidierung des Bundes besteht für mich eine Grundgefahr: Wir dürfen uns mit dem Grundgesetz "demogratischer Sozial- und Rechtsstaat" nennen. Eine Errungenschaft aus Zeiten, in denen den Bürgerinnen und Bürgern weit weniger Geld zur Verfügung stand. Sozialstaat - ein Alleinstellungsmerkmal der Bundesrepublik Deutschland, in bewusster Aufnahme bismarckscher Sozialgesetze und der Weimarer Reichsverfassung. Um diesem Anspruch Rechnung zu tragen gehört auch, dass allem Auseinanderstreben zwischen Arm und Reich gewehrt wird. Deswegen darf nicht einseitig zulasten der sozial Schwachen gespart werden.


Über den Autor:

Dr. Martin Hamburger stammt aus Bad Kreuznach, war Gemeindepfarrer auf dem Hunsrück und in Remscheid und leitet seit 2002 das Diakonische Werk in Wuppertal.