Merkel zufolge ging es darum, große Lücken im Finanzsystem zu schließen. Dazu solle sowohl die Wirtschaft beteiligt werden als auch der Sozialbereich. Sie nannte den Abbau von Subventionen in der Wirtschaft, eine Luftverkehrsabgabe, eine Brennelementesteuer für Energiekonzerne sowie eine Besteuerung der Finanzmärkte. "Wir haben damit eine beträchtliche Beteiligung der Wirtschaft an der Sanierungsaufgabe."
Bei der Neuordnung der Arbeitsmarktpolitik geht es vor allem darum, Jobs für erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger zu schaffen und um eine effiziente Vermittlung. Es gebe 2,2 Millionen erwerbsfähige Empfänger von Arbeitslosengeld II. Davon seien fast 700.000 allein erziehende Mütter und mehr als eine Million Menschen, die älter als 50 Jahre sind, sagte Merkel.
Westerwelle: "Einschnitte gerecht"
FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, vor Deutschland liege eine große Kraftanstrengung. "Wir haben in den letzten Jahren auch über unsere Verhältnisse gelebt." Es sei ein ehrgeiziges, umfassendes und solides Sparpaket. Gleichzeitig seien die Einschnitte gerecht. Eine gute Nachricht für die Bürger sei, dass weder die Mehrwertsteuer noch die Einkommensteuer erhöht werden, sagte Westerwelle. Mitte August solle das Haushaltsgesetz verabschiedet werden.
Merkel hält das drastische Sparen für alternativlos. "Es sind ernste Zeiten, es sind schwierige Zeiten. Wir können uns nicht all das, was wir uns wünschen, leisten, wenn wir die Zukunft gestalten wollen", sagte die Kanzlerin. Sie sprach von ernsten Stunden bei den Beratungen zum Sparpaket. Sie halte es "für eine durchaus ernste Situation für unser Land". Merkel sagte zugleich: "Ich bin optimistisch, dass wir das schaffen können, wenn wir das jetzt auch so umsetzen."
Die Regierung hat daher das größte Sparpaket in der bundesdeutschen Geschichte beschlossen. Bis 2014 sollen ungefähr 80 Milliarden Euro eingespart werden - deutlich mehr als erwartet. Die größten Einschnitte gibt es bei Sozialleistungen, aber auch die Wirtschaft muss sich auf Milliardenbelastungen einstellen.
Die Koalition will die Bundeswehr im großen Stil umstrukturieren. Merkel kündigte eine "großangelegte Streitkräftereform" an. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wurde beauftragt, bis Anfang September zu prüfen, wie die Bundeswehr von derzeit 250.000 Soldaten um 40.000 Soldaten verkleinert werden kann.
Elterngeld wird gekürzt
Bei den Sozialleistungen will die Regierung besonders kräftig sparen. Zuschläge für Arbeitslose werden gestrichen. Bei Hartz-IV-Empfängern will der Staat die Beiträge zur Rentenversicherung einsparen. Dies soll etwa zwei Milliarden Euro im Jahr bringen.
Das Elterngeld wird insgesamt moderat gekürzt, für Hartz-IV-Empfänger komplett gestrichen. Der Höchstbetrag von maximal 1.800 Euro im Monat wird nicht angetastet. Allerdings werden künftig nur 65 statt 67 Prozent des Nettoeinkommens als Berechnungsgrundlage genommen.
Der Staat will beim Sparen mit gutem Beispiel vorangehen. Beim Bund sollen bis einschließlich 2014 bis zu 15.000 Stellen dauerhaft abgebaut werden. Im direkten öffentlichen Dienst des Bundes gibt es 129.000 Beamte und 149.000 Angestellte. Zudem sollen die Bundesbeamten 2011 auf die geplante Erhöhung des Weihnachtsgeldes verzichten. Dies bedeute eine Kürzung der Bezüge um 2,5 Prozent.
Neue Abgabe im Luftverkehr
Die Koalition will auch die Wirtschaft zur Kasse bitten. Die Atomkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW müssen künftig eine neue Brennelementesteuer von jährlich 2,3 Milliarden Euro zahlen. Damit soll ein Teil der Zusatzgewinne der Konzerne bei längeren Atomlaufzeiten abgeschöpft werden.
Im Luftverkehr plant die Bundesregierung eine neue Abgabe. Sie soll für alle Passagiere erhoben werden, die von einem deutschen Flughafen starten. Die Koalition will auch die Banken weiter belasten. Spätestens 2012 soll eine neue Abgabe kommen, falls es zuvor in Europa und weltweit keine Lösung gibt.
Merkel hält den Sparkurs für alternativlos. "Wir können uns nicht all das, was wir uns wünschen, leisten, wenn wir die Zukunft gestalten wollen", sagte die Kanzlerin. Die Koalition sei bis an die Grenzen gegangen: "Ich darf sagen, dass die letzten Stunden, so denke ich, schon ein einmaliger Kraftakt waren."
Kritik von der Opposition
SPD, Linke und Gewerkschaften kündigten Widerstand gegen die Sozialkürzungen an. "Jetzt werden die Arbeitnehmer, Rentner und Familien für die Zockerei der Banken zur Kasse gebeten", sagte Linken-Parteichef Klaus Ernst. "Dagegen wird es Riesenproteste geben." SPD, Linke und Gewerkschaften kündigten Widerstand gegen die Sozialkürzungen an. "Jetzt werden die Arbeitnehmer, Rentner und Familien für die Zockerei der Banken zur Kasse gebeten", sagte Linken-Parteichef Klaus Ernst. "Dagegen wird es Riesenproteste geben."
Die Grünen kritisierten, die Handschrift der Koalition sei die Kürzung bei den Schwachen. Eine höhere Belastung der Vermögenden in Deutschland scheue Schwarz-Gelb wie der Teufel das Weihwasser, sagte Fraktions-Geschäftsführer Volker Beck.
Die Gewerkschaft Verdi warnte, eine Rotstift-Politik werde die soziale Schieflage im Land verschärfen. "Die Bundesregierung belastet einseitig die Schwachen in der Gesellschaft, statt starke Schultern angemessen zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband sprach von "absolut inakzeptablen Beschlüssen" und warnte vor einem Auseinanderbrechen der Gesellschaft. Der Sozialverband VdK Deutschland bezeichnete es als "völlig verfehlt, bei denjenigen Bevölkerungsgruppen den Rotstift anzusetzen, die bereits in Armut leben oder von Armut bedroht sind". Die "soziale Kälte dieser Sparpolitik ist ein gesellschaftlicher Sündenfall", bemängelte die Arbeiterwohlfahrt. Auch die Diakonie in Bayern lehnte die Sparbeschlüsse rundweg ab. Das Erwerbslosen Forum Deutschland kündigte "sozialen Widerstand" gegen das Sparpaket an.