Homosexuelle geraten in Afrika immer mehr ins Fadenkreuz
Der Kenianer Michael Kimundu verlor seine Arbeit, weil er seinem Gewissen folgte. Statt gegen sie zu hetzen, wollte er auf Schwule und Lesben in seiner Kirchengemeinde zugehen. "Ich bin Pfarrer, ich will Liebe, nicht Hass verbreiten", sagt der Priester, der 30 Jahre lang in der Anglikanischen Kirche von Mtwapa an der Küste des Landes gepredigt hat. Anfang des Jahres wurde er entlassen, weil er ein Netzwerk leitete, das sich für Toleranz gegenüber Homosexuellen einsetzt. "Meine Kirche wollte damit nichts zu tun haben."
06.06.2010
Von Marc Engelhardt

Ob arm oder reich, gebildet oder nicht: Die Hatz auf Homosexuelle nimmt in Afrika in allen Bevölkerungsschichten zu. Lucy Mateke etwa ist eine engagierte und streitbare Frau: In ihrer Heimat Malawi kämpft sie wortgewaltig für die Rechte von Mädchen und jungen Frauen. Doch wenn es um Homosexualität geht, wird die Aktivistin plötzlich einsilbig. "So was gibt es bei uns nicht", sagt Mateke schlicht. Ihre Nachbarn sind weniger zurückhaltend. "Widernatürlich sind die, die gehören aufgeknüpft", ereifert sich James, der einen Handkarren durch die Straßen des malawischen Wirtschaftszentrums Blantyre zieht. "Die sind krank und müssen in den Knast", pflichtet ihm Taxifahrer Henry bei.

Nicht weit von Matekes Büro entfernt sind vor wenigen Wochen zwei Schwule wegen "widernatürlicher Akte" zu 14 Jahren Haft und Zwangsarbeit verurteilt worden. Angeblich hatten sie sich in einer Zeremonie ewige Treue geschworen. Mit seinem Urteil wolle er "die Gesellschaft davor schützen, dass andere das erschreckende Beispiel dieser beiden nachahmen", erklärte Richter Nyakwawa Usiwa-Usiwa.

Druck von der Straße

Zwar hat Malawis Präsident Bingu wa Mutharika die beiden Männer inzwischen begnadigt - doch Amnesty International glaubt, dass Steven Monjeza und Tiwonge Chimbalanga weiter drangsaliert werden. "Wir befürchten, dass sie erneut belangt werden, wenn sie ihre Beziehung fortsetzen", warnt Michelle Kagari, die Afrika-Direktorin der Menschenrechtsorganisation.

Die Verurteilung der beiden, die auf der Straße und in den Medien vehement eingefordert worden war, ist nur ein Beispiel für die Verfolgung Homosexueller. Zwar gibt es in mehr als zwei Dritteln aller afrikanischen Länder Gesetze, die Homosexualität direkt oder indirekt verbieten - doch lange Jahre wurden sie nicht angewandt. Das hat sich geändert, spätestens seit ein ugandischer Abgeordneter im Oktober vergangenen Jahres in einem Gesetzentwurf die Todesstrafe für "chronisch Homosexuelle" forderte.

Unerreichbar für Aids-Aufklärung

"Die Verfolgung von Homosexuellen ist eine direkte Folge dieses Gesetzentwurfs und der Debatte darum", glaubt Monica Mbaru von der Internationalen Menschenrechtskommission für Schwule und Lesben. Sie macht radikale Kirchenvertreter für die Stimmungsmache verantwortlich. "Unsere Politiker vermeiden es, religiösen Führern zu widersprechen, vor allem in Fragen der Homosexualität." Durch regelrechte Hetzjagden würden Schwule und Lesben in den Untergrund getrieben und damit etwa für die HIV/Aids-Aufklärung unerreichbar, fürchtet Mbaru.

Was sich im Frühjahr an Kenias Küste abspielte, illustriert Mbarus Befürchtungen. Nach einer angeblichen Schwulenhochzeit in Mtwapa forderten Imame in ihren Freitagsgebeten alle Gläubigen auf, Homosexuelle zu denunzieren. Bischof Lawrence Chai, der der evangelikalen Freien Apostolischen Kirche vorsteht, forderte bei einer Pressekonferenz die Schließung eines staatlichen HIV-Zentrums in Mtwapa, das auch Homosexuelle berate. "Wir werden alle Schwulen verjagen", kündigte Chai dabei an.

Mythen gegen Homosexuelle

Einen Tag später stürmte ein Mob das HIV-Zentrum und bezichtigte Mitarbeiter und Patienten, homosexuell zu sein - die Polizei nahm die Beschuldigten sofort fest. "Wir sind der Öffentlichkeit dankbar, dass sie die Polizei verständigt hat", erklärte Distriktvorsteher George Matandura. Einen "Verdächtigen" hatte der Mob zuvor bewusstlos geschlagen. Die Polizei nahm ihn in Gewahrsam, gerade als die tobende Masse ihn auf offener Straße anzünden wollte. "Diese Ausschreitungen waren geplant, nicht zufällig", glaubt eine lokale Menschenrechtlerin. Sie wirft Kenias Regierung vor, zu schweigen. "Wer schweigt, macht sich mitschuldig."

Der von seiner Kirche freigesetzte Pfarrer Kimundu hat sich entschieden, seine Stimme zu erheben. Auch ohne Anstellung will der Kenianer seiner Mission treu bleiben. "Es ist meine Berufung, mit den Mythen gegen Homosexuelle aufzuräumen."

epd