Koalition denkt über Sparmaßnahmen nach
Vor der zweitägigen Haushaltsklausur der Bundesregierung reißt die Welle der Sparvorschläge nicht ab. Die FDP brachte Kürzungen beim Arbeitslosengeld für Ältere ins Gespräch.

Nach Ansicht des Städte- und Gemeindebundes sollten Arbeitnehmer später in Rente gehen. Die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) verlangte allgemein eine Kürzung der Sozialausgaben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte am Samstag demonstrativ die Bedeutung des Bildungswesens, was darauf schließen lassen könnte, dass Kürzungen in diesem Bereich vermieden werden sollen.

In der CDU wurde aber auch über mögliche höhere Einnahmen bei der Tabak- und der Mehrwertsteuer diskutiert, und CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich schlug eine vorübergehend stärkere Belastung hoher Einkommen vor. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle lehnte für die FDP Steuererhöhungen allerdings strikt ab. Vertreter der katholischen Kirche indes warnten vor Kürzungen bei den Leistungen für Familien.

Klausurtagung in Berlin

Die Bundesregierung trifft sich am Sonntagmittag zur Klausurtagung in Berlin, bei der der Haushalt für das kommende Jahr im Mittelpunkt steht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will mehr als zehn Milliarden Euro einsparen.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner forderte die Regierung in der "Bild"-Zeitung auf, Courage beim Sparen zu zeigen: "Wohltaten der großen Koalition entpuppen sich als unfinanzierbar." Die von Union und SPD beschlossene Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für Ältere von zwölf auf 24 Monate bringe niemanden schneller in Arbeit "und wird von Arbeitgebern oft als Frührente missbraucht, die 1,5 Milliarden Euro jährlich kostet".

Später in Rente

Gerd Landsberg, Präsident des Städte- und Gemeindebundes, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstagsausgabe), die Bürger müssten sich darauf einstellen, länger zu arbeiten. "Wir sollten versuchen, möglichst flächendeckend die vorgesehene Lebensarbeitszeit bis 67 zu erreichen. Ein Jahr effektive Lebensarbeitszeit mehr entlastet die Sozialkassen um Milliarden", sagte er. BDA-Hauptgeschäftsführer Peter Clever fordert die Bundesregierung auf, die Sozialausgaben zu kürzen. Das sei möglich, "ohne dass die aktiven Hilfsmaßnahmen darunter leiden", sagt der Arbeitgeber-Vertreter der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Samstagsausgabe).

Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus schlug zur Haushaltssanierung höhere Einnahmen bei der Mehrwertsteuer vor. "Durch die verminderte Mehrwertsteuer nimmt der Staat rund 20 Milliarden Euro weniger ein. Da können wir relativ einfach einige Milliarden zusätzlicher Einnahmen generieren", sagte er der "Bild am Sonntag". Während CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe im "Hamburger Abendblatt" (Samstagsaugabe) eine höhere Tabaksteuer vorschlug, brachte CSU-Landesgruppenchef Friedrich in der "Bild am Sonntag" eine vorübergehend stärkere Besteuerung hoher Einkommen ins Gespräch. "Das darf kein Tabu sein", sagte Friedrich laut Vorabbericht.

Brüderle will Steuern senken

Wirtschaftsminister Brüderle widersprach entschieden. Von Steuererhöhungen zur Sanierung des Haushalts halte er nichts, sagte der FDP-Politiker dem Berliner "Tagesspiegel" (Sonntagsausgabe). Wegen der schwachen Konjunktur seien Steuersenkungen verschoben worden: "Aber noch in dieser Legislaturperiode müssen Schritte zur steuerlichen Entlastung folgen."

Unterdessen wies Kanzlerin Merkel am Tag vor Beginn der Sparklausur auf die Bedeutung des Bildungswesens für die Zukunft des Landes hin. Nur mit einer guten Bildung werde jungen Menschen eine Chance gegeben, ihr Leben selbstständig zu gestalten, sagte sie in ihrer wöchentlichen Videobotschaft: "Deutschland soll eine Bildungsrepublik werden."

Kirche warnt vor Kürzungen bei Familien

Vertreter der katholischen Kirche warnten in der Spardiskussion vor Kürzungen bei der Unterstützung von Familien. "Familien sind das Fundament und die Zukunft unserer Gesellschaft. Sie brauchen auch in schlechten Zeiten verlässliche Zeichen der Solidarität und Wertschätzung", sagte der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky der "Passauer Neuen Presse" (Samstagsausgabe). Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte am Dienstag angekündigt, dass das Elterngeld gekürzt statt ausgeweitet wird, wie es die Koalition zunächst geplant hatte.

epd