Wenn die junge Frau lächelt, werden zwei Zahnlücken in der Mitte sichtbar. Im Tragetuch, das sie über ihr blau gemustertes Kleid gebunden hat, sitzt ihr einjähriger Sohn. In rosa Badeschlappen steht die 20-Jährige auf der vom Regen durchweichten roten Asche. Es ist der Fußballplatz des südafrikanischen Ortes Commondale - ein tristes Bild fernab der glitzernden Stadien, in denen die besten Fußballer der Welt in ein paar Tagen auf gepflegtem Rasen den künftigen Weltmeister ermitteln.
Etwa 1.700 Menschen sind an diesem Samstag zusammengekommen, um etwas zu feiern, das ihr ganzes Leben verändern könnte und nicht nur vier Wochen Abwechslung bietet wie die bevorstehende Fußball-WM: die Einweihung einer mobilen Gesundheitsstation zur Aids-Bekämpfung. Der weiße Kleinbus symbolisiert ein Stück Hoffnung und Zukunft für die Dorfbewohner in Mpumalanga, der Partnerprovinz Nordrhein-Westfalens im Nordosten Südafrikas.
Jacke wie Hose abgewetzt
Im Regen auf dem Platz stehen Männer, Frauen und Kinder, denen man ihre Armut ansieht. Selbst wenn sie ihre besten Kleider angezogen haben, sind die Jacken und Hosen abgewetzt, die Perspektivlosigkeit steht in viele Gesichter geschrieben. Wer einen Job hat, arbeitet zumeist auf einer der Farmen in der ländlichen Region oder in der nächstgelegenen Papierfabrik. Die extreme Armut und soziale Ungleichheit sind ein Hauptproblem in dem Land am Kap.
Häufig kommt Aids dazu: Etwa 5,7 Millionen der 49,3 Millionen Südafrikaner tragen das tödliche HI-Virus in sich, bei Erwachsenen ist es fast jeder Fünfte. Täglich sterben etwa tausend Menschen an den Folgen der Immunschwächekrankheit, die Lebenserwartung sank nach UN-Angaben in den vergangenen zwei Jahrzehnten von knapp 65 auf rund 50 Jahre. In Mpumalanga, einer der neun Provinzen mit rund vier Millionen Einwohnern, ist die soziale Lage noch schlechter als im nationalen Durchschnitt. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 25 Prozent, mehr als jeder zweite Bewohner gilt als arm, die Aids-Rate ist die vierthöchste des Landes.
Sofortiger Test möglich
Daran soll sich möglichst bald etwas ändern, auch mit Hilfe der mobilen Klinik. Der Einsatzwagen ermöglicht vor Ort auf den Dörfern und Farmen Beratungen und sofortige Aids-Tests, auch Tuberkulose- und Malaria-Tests sollen künftig gemacht werden können. Prävention gilt als Schlüssel, um die Ausbreitung von Aids einzudämmen.
Bei der Aufklärung setzen die Organisatoren neben ausgebildeten Krankenschwestern, die mit dem Klinik-Bus unterwegs sind, auf "Peer Educators". Vor allem Frauen aus den Dörfern oder Farmarbeiterinnen erhalten Schulungen, um in ihrer Heimat oder Arbeitstelle über die Verbreitung von Aids zu informieren und Kondome zu verteilen. Da das sensible Thema von Angehörigen der gleichen sozialen Gruppe angesprochen wird, sind die Vorbehalte geringer als bei Ansprechpartnern von außerhalb. Diese Art der Aufklärung erzielt die höchste Wirkung.
Der Weg zu den Menschen sei auch nötig, weil sie sich lange und teure Wege zum Arzt nicht leisten könnten, erläutert Johann Engelbrecht, Manager und Mit-Initiator des Pilotprojekts. Ohnehin ist die Gesundheitsversorgung auf dem Land schlechter. Zugang zu einer Versorgung wie in westlichen Industrieländern gibt es nur für 20 Prozent der Südafrikaner. "Aids ist eine Realität, die jeden betrifft", sagt Engelbrecht.
Nachkomme deutscher Missionare
Als Nachkomme deutscher Missionare lebt Engelbrecht mit seiner Familie in der fünften Generation in Südafrika, zu Hause wird Deutsch gesprochen. Als Farmer erlebt er, dass Aids nicht nur eine menschliche Tragödie ist, sondern auch das soziale Gefüge bedroht und sich wirtschaftlich katastrophal auswirkt. Angestellte erkranken, manche sterben nach einiger Zeit. Andere Beschäftigte müssen Aids-kranke Angehörige pflegen oder fallen eine Woche aus, weil sie zu einer Beerdigung gehen, die zwei Tagesmärsche entfernt stattfindet.
Die Kosten für den 55.000 Euro teuren Einsatzwagen in Commondale, der für über 10.000 Menschen Aufklärung und Hilfe bringen soll, wurden überwiegend vom "Kirche und Wirtschaft gegen HIV und Aids" bezahlt. Das Programm wurde von den drei evangelischen Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen initiiert, das Land beteiligte sich ebenfalls. Für den Betrieb und das Personal kommt die Provinz Mpumalanga auf. Sie ist von dem Projekt schon jetzt so sehr angetan, dass sie es gerne ausweiten würde. "Wir brauchen ähnliche mobile Kliniken für andere Distrikte", beteuert Parlamentspräsident Sipho William Lubisi.