Das Schicksal traf Marlene Probst wie der Blitz aus heiterem Himmel. Ihr Mann erlitt einen Schlaganfall, brach daheim zusammen. Die Folge: Hirntod im Alter von 49 Jahren. "Plötzlich war für uns alle nichts mehr wie vorher", erinnert sich die Mutter dreier Kinder an den großen Schmerz. Doch in diesen schweren Tagen fand neues Leben seinen Anfang: "Mein Mann hatte sich für die Organspende entschieden, als gläubiger Christ für ihn ein Werk der Nächstenliebe." Deshalb habe sie alles getan, "um seinem Wunsch zu entsprechen." Er spendete sein Herz, beide Nieren und Augenhornhaut.
"Die Entscheidung für Organspende ist lebenswichtig. Für die 12.000 Patienten auf der Warteliste bedeutet sie die Rettung", weiß Professor Günter Kirste. Er ist Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), die hierzulande für die Organisation jener Organspenden und Transplantationen verantwortlich ist, die nach dem Hirntod des Spenders vorgenommen werden. Kirste: "An jedem Tag sterben in Deutschland drei Patienten, weil nicht rechtzeitig ein passendes Organ zur Verfügung steht."
Tag der Organspende
Nach wie vor würden nicht genügend Organe gespendet: "Dabei hilft ein einzelner Spender im Schnitt bis zu drei schwer kranken Menschen." Um mehr Bürger davon zu überzeugen, sich zu Lebzeiten Organspendeausweise zu besorgen, findet seit 28 Jahren der "Tag der Organspende" statt. Motto der zentralen Veranstaltung an diesem Samstag in Hannover an der Marktkirche: "Richtig. Wichtig. Lebenswichtig!"
Dass die DSO, Verbände und Selbsthilfegruppen in ihrer Öffentlichkeitsarbeit nicht nachlassen dürfen, zeigt der Blick auf die jüngsten Statistiken. Die Zahl der Organspenden blieb 2009 bundesweit auf einem alarmierend niedrigen Niveau. Nach Angaben der DSO spendeten im Vorjahr nach vorläufigen Zahlen bundesweit 1.217 Menschen ihre Organe - 19 Spender mehr als im Jahr 2008. "Deshalb wollen wir mehr erreichen für die Menschen auf der Warteliste, denn ihre Lage ist heikel", sagt Kirste. 2009 wurden knapp 3.900 Patienten gespendete Organe transplantiert.
Spenderausweis ausfüllen
Doch nicht nur die Information über die Organspende müsse weiter verbessert werden, so Kirste. Auch die Abläufe in vielen Kliniken seien reformbedürftig: "Entscheidender Knackpunkt ist die frühzeitige Erkennung und Meldung möglicher Spender in den Krankenhäusern", betont der Mediziner. Weil es daran oft hapere, habe die DSO jüngst mit Erfolg ein Projekt zur sogenannten Inhousekoordination gestartet: "Über 100 Universitätskliniken und Krankenhäuser haben sich bereits angeschlossen."
"Es gibt viel zu wenig Organspender. Dabei können wir das alle gemeinsam leicht ändern, indem wir einfach einen Spenderausweis ausfüllen", sagt Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), der als Gast in Hannover erwartet wird. Er erinnert daran, wie bedrückend es für Tausende Patienten ist, nicht zu wissen, ob sie noch rechtzeitig ein neues Organ bekommen.
Christian Klesen hat dieses Tal 1995 durchschritten. Sein stark geschwächtes Herz wuchs immer mehr und erschwerte die Atmung. Die Lunge entzündete sich, und mehrere Organe drohten zu versagen. Todesgefahr, Notoperation: "Ich wurde an ein Kunstherz angeschlossen. Mein Leben hing an einer Maschine", schreibt er im Internet. Hoffen und Bangen dauerten über drei Wochen. Dann die Erlösung: der Personalsachbearbeiter erhielt ein Spenderherz. Als katholischer Christ verstehe er die Entscheidung von Spender oder Angehörigen "als großen, wenn nicht sogar als größtmöglichen Akt der Nächstenliebe."
Langer Weg der Trauer
Marlene Probst hat aus der Organspende ihres Mannes nach eigenen Worten nie ein Geheimnis gemacht. Im Gegenteil. Und sie nutzte die Gesprächsangebote der DSO für Angehörige von Organspendern auf ihrem langem Weg der Trauer. "Jedes Jahr erkundige ich mich nach dem Befinden der Organempfänger." Wenn sie erfahre, dass es ihnen gut geht, empfinde sie tiefe Freude: "So hat der Tod meines Mannes ein Stück Sinn bekommen."
Internet: www.dso.de
epd