Annäherung zwischen Moskau und Konstantinopel
Moskau, Sankt Petersburg und das karelische Kloster Valamo waren die Stationen des Besuchs, den der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., in den vergangenen zehn Tagen Russland und der Russischen Orthodoxen Kirche abstattete. Es war der erste offizielle Besuch des Ehrenoberhaupts der Weltorthodoxie seit 1993.

Die Reise zu der mit mehr als 100 Millionen Mitgliedern mit Abstand größten unter den 14 unabhängigen orthodoxen Nationalkirchen war nicht nur protokollarischer Natur. Ziel war eine weitere Verbesserung der Beziehungen zwischen Moskau und Konstantinopel, die lange Zeit von Rivalität und Spannungen geprägt waren. Signale für Entspannung gab es schon im Sommer 2009, als der Moskauer Patriarch Kyrill I. demonstrativ auf seiner ersten Auslandsreise Bartholomäus in Istanbul besuchte.

Ein wichtiges Thema der Gespräche zwischen den beiden Kirchenführern war die Vorbereitung des seit langem geplanten Panorthodoxen Konzils. Auch wenn noch kein konkretes Datum genannt wurde, so zeigte sich Bartholomaios doch überzeugt, dass die Beschlüsse des Konzils von sehr großer Bedeutung für die weltweite Orthodoxie sein werden. Die letzte gesamtorthodoxe Kirchenversammlung fand im Jahr 1583 statt.

"Wo der Glaube sich nicht versteckt"

"Ich bin glücklich, dass jedes Treffen uns näher zusammenbringt", bilanzierte Patriarch Kyrill die Fortschritte in den Beziehungen zwischen Moskau und Konstantinopel. Und Bartholomäus bezeichnete die russische Kirche als "unsere Schwester und unsere Tochter". Er erlebe ein Russland, "in dem der Glaube an Gott eine weite Ausbreitung fand und sich nicht versteckt."

In einigen Streitpunkten, die in der Vergangenheit das innerorthodoxe Verhältnis belasteten, sei eine Entspannung zu beobachten, findet Stefan Kube, Chefredakteur von der Schweizer Zeitschrift "G2W". Eine Annäherung und wachsende Gesprächsbereitschaft beobachtet der Theologe vor allem im Hinblick auf die kirchliche Situation in der Ukraine, wo die Gefahr der Bildung einer nationalen ukrainisch-orthodoxen Kirche gebannt scheint. Im russischen Fernsehsender "Vesti 24" rief der 70-jährige Bartholomaios abtrünnige orthodoxe Ukrainer dazu auf, umzukehren und sich der kanonischen Orthodoxen Kirche anzuschließen.

Problemfall Estland

Nicht bekannt wurde, ob die Patriarchen auch den innerorthodoxen Problemfall Estland erörterten. Dort steht die dem Ökumenischen Patriarchat unterstehenden selbstständige Orthodoxe Kirche von Estland der estnischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats gegenüber. Wegen der Aufnahme der autonomen Orthodoxen Kirche in die "Konferenz Europäischer Kirchen" hat das Moskauer Patriarchat seine Mitarbeit in der Dachorganisation europäischer Kirchen ausgesetzt.

Lange Zeit belastete auch die Zuordnung der Diaspora-Gemeinden den innerorthodoxen Dialog. Mit der Entscheidung der Panorthodoxen Vorkonziliaren Konferenz vom Juli 2009, Bischofsversammlungen für die orthodoxen Gläubigen in den betroffenen Regionen zu bilden, wurde dieses Dauerproblem entschärft. In Deutschland und der Schweiz formierten sich im Frühjahr diese Zusammenschlüsse aller orthodoxen Bischöfe beider Länder, in Österreich ist die Errichtung der Orthodoxen Bischofskonferenz in der Planung.

epd