Gemeinsam ist allen, die momentan diskutiert werden, ihr CDU- oder CSU-Hintergrund. In früheren Jahren konnte sich zwar der kleinere Koalitionspartner FDP mit Kompromisskandidaten durchsetzen, die den Liberalen genehm waren. Im Moment können sie allerdings keine Trümpfe ausspielen: Ihr Vorsitzender Guido Westerwelle durchschreitet ein historisches Popularitätstief, und die Wahlergebnisse und Umfragewerte seiner Partei waren lange nicht so schlecht wie momentan.
Die Kandidatenkür gilt nun mehr denn je als Chef(innen)sache, während Kanzlerin Merkel angekündigt hat, im Anschluss an eine Einigung mit der FDP auch "auf die anderen zugehen" zu wollen, um einen möglichst breiten Konsens zu erzielen. Mit einem neuerlichen Quereinsteiger rechnen indes nur wenige. Stattdessen werden vor allem folgende Namen genannt, denen Chancen eingeräumt werden, das nächste Staatsoberhaupt zu werden:
Platz 10: Roland Koch
Hessens Noch-Ministerpräsident hat vor einer Woche seinen Rücktritt angekündigt und selbst gesagt, er suche nach einer neuen Lebens- und Arbeitsperspektive. Für ihn sprechen seine elf Jahre Erfahrung als Landesvater - gegen ihn, dass er ebenso viele Fans hat, wie es Menschen gibt, die ihn heftig ablehnen.
Platz 9: Jürgen Rüttgers
Sein Traum, Johannes Rau zu beerben, würde sich als Bundespräsident erfüllen. Seine CDU würde den Wahlverlierer von Nordrhein-Westfalen am liebsten entsorgen - doch mit Rüttgers verbinden sich in jüngster Zeit zahlreiche Skandale, die zu dem repräsentativen Amt, das zu vergeben ist, nicht passen.
Platz 8: Edmund Stoiber
Der Ex-Ministerpräsident von Bayern war auch schon vor sechs Jahren als Präsident im Gespräch. Sein Plus: Inzwischen liegt ihm das Ausgleichende mehr als früher. Aber ein Staatsoberhaupt muss gut reden können - über diese Gabe verfügt er beim besten Willen nicht.
Platz 7: Rudolf Seiters
Das Ansehen des ehemaligen Bundesinnenministers und heutigen Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes ist in der eigenen Partei hoch, als überparteilich agierenden Bundespräsidenten können sich ihn viele vorstellen. Sein Manko: Er ist bereit 71 Jahre alt.
Platz 6: Norbert Lammert
Der Bundestagspräsident ist schon jetzt der zweite Mann im Staate und hat sich als Repräsentant bewährt. Ein Gegenargument aus Regierungssicht ist, dass sich Lammert zuweilen unbequem bis stur zeigte, etwa bei Thema Nebentätigkeiten von Abgeordneten. Zusätzliche Probleme kann Angela Merkel aber momentan nicht gebrauchen.
Platz 5: Wolfgang Schäuble
Der Bundesfinanzminister war der heiße Kandidat der vergangenen Jahre. Angesichts des Rekord-Schuldenbergs wäre er über eine geruhsamere Aufgabe vermutlich froh. Gegen ihn spricht seine angeschlagene Gesundheit.
Platz 4: Annette Schavan
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung genießt den Ruf einer klugen wie öffentlich eher unterschätzten Politikerin und war 2004 als Alternative zu Köhler in der Diskussion. Der langjährigen Vizepräsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken wird das verbindende Element zugetraut, welches das höchste Amt verlangt. Der Weg von der Bundesministerin ins Präsidialamt wäre allerdings ungewöhnlich.
Platz 3: Christian Wulff
Der niedersächsische Ministerpräsident ist wegen seines eher versöhnlichen Auftretens nicht nur bei seinen christdemokratischen Parteifreunden beliebt. Angela Merkel könnte sich mit dem 50-Jährigen einen potenziellen Nachfolger vom Hals schaffen und ein geradezu jugendliches Signal setzen - ob Wulffs Widersacher in der eigenen Partei ihm diesen Sprung wünschen, ist fraglich.
Platz 2: Ursula von der Leyen
Die smarte Ex-Bundesfamilien- und jetzige Arbeitsministerin wird in der CDU hoch gehandelt. Die 51-Jährige Mutter von sieben Kindern würde die traditionellen Werte der Christdemokraten optimal verkörpern. Gegen ihre Kandidatur spricht, dass sie eine Frau ist, die Karriere machen möchte. Nach Schloss Bellevue gibt es aber keine weitere Station mehr.
Platz 1: Petra Roth
Frankfurts Oberbürgermeisterin ist in ihrer Stadt beliebt und regiert mit einer schwarz-grünen Koalition - für manche das kommende Modell auch im Bund. Pro: Die Präsidentin des Deutschen Städtetages hat stets die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen im Blick, und ins Präsidialamt schafften es bisher vorwiegend Namen aus der zweiten oder dritten politischen Reihe. Kontra: Ein schwarz-grünes Signal ist das Letzte, was die FDP unterstützen möchte. Und auf sie ist die CDU in der Bundesversammlung angewiesen.
... oder doch jemand ganz anderer?
Schließlich ist auch ein ganz anderes Szenario denkbar: Um nicht noch einmal für einen schwachen Bundespräsidenten oder eine -präsidentin in Verantwortung genommen zu werden, wäre es aus Sicht der Kanzlerin ein besonders geschickter Schachzug, jemanden aus dem kirchlichen oder dem sozialdemokratischen Umfeld zu nominieren wie etwa Peer Steinbrück, den ehemaligen Bundesfinanzminister aus der SPD.
Wenn die Regierung ihren Kandidaten ohne Absprache mit der Opposition nominiere, "werden wir mit Sicherheit jemand eigenes aufstellen", sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel im Deutschlandfunk. Dass die bereits zweimal angetretene SPD-Frau Gesine Schwan sich eine dritte absehbare Niederlage antun möchte, erwartet allerdings momentan kaum jemand.
Thomas Östreicher ist freier Journalist in Hamburg und Frankfurt.