Filmtipp der Woche: "The Messenger"
Film des Monats Juni der Jury der Evangelischen Filmarbeit: Zwei US-Militärs überbringen in Oren Movermans Film "The Messenger" Familien gefallener Soldaten die Todesnachricht.
01.06.2010
Von Kai Mihm

Irgendjemand muss es der Familie sagen. In Steven Spielbergs "Der Soldat James Ryan" fährt zu Beginn ein Militärjeep auf das Grundstück einer alten Frau irgendwo in der amerikanischen Einöde. Ohne dass auch nur ein Wort gewechselt wurde, weiß sie, was passiert ist: Ihr Sohn ist im Krieg getötet worden. In seinem beeindruckenden Regiedebüt "The Messenger" macht Oren Moverman da weiter, wo Spielberg aufhörte. Bei ihm stehen jene Männer im Mittelpunkt, die die Angehörigen gefallener Soldaten über den Tod ihrer Ehepartner, ihrer Töchter und Söhne in US-Kriegseinsätzen informieren.

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Nachdem er im Irak schwer verwundet wurde, soll der junge Staff Sergeant Will Montgomery (Ben Foster) die letzten Monate seines Militärdienstes in New Jersey bei der sogenannten "Casualty Notification"-Einheit absolvieren. Dabei gelten strikte Regeln: kein Körperkontakt mit den trauernden Angehörigen, keinerlei Emotionen zeigen, Ruhe bewahren - und nach der Todesmitteilung so schnell wie möglich wieder verschwinden. Wills Partner Tony Stone (Woody Harrelson) ist ein erfahrener Berufssoldat, der die Benachrichtigungen mit professioneller Distanziertheit überbringt.

Tiefer Respekt gegenüber den Soldaten

Will dagegen fällt immer wieder aus der Rolle, kann sein Mitgefühl nicht verbergen, überschreitet die Grenze der militärischen Professionalität zugunsten des menschlichen Bedürfnisses nach Nähe. Und nach einer Weile zeigt sich, dass der vermeintlich knallharte Tony Stone tatsächlich der seelisch Labilere von beiden ist. Das mag dramaturgisch konventionell klingen, ist aber vom gesamtem Ensemble eindringlich gespielt und von Moverman so zurückgenommen und ohne jeden Anflug von Antikriegspathos inszeniert, dass es gerade in seiner "Gewöhnlichkeit" eine große Wahrhaftigkeit bekommt.

Ohnehin liegen die Stärke und die Größe von "The Messenger" in der Nüchternheit, mit der Moverman den Alltag seiner beiden Protagonisten zeigt: zwischen trauernden Angehörigen bei Tag und depressiver Einsamkeit bei Nacht. Und mit jedem Einsatz und jeder Ruhepause in schummrigen Bars und schäbigen Motels lernen wir Will und Tony ein klein wenig besser kennen. Der Regisseur, selbst ein Veteran der israelischen Armee, enthält sich dabei eines eindeutigen politischen Statements. Sein Film ist von einem tiefen Respekt gegenüber den Soldaten geprägt. Was man politisch daraus macht, ihren Familien beim Zerbrechen zuzusehen, überlässt Moverman jedem Zuschauer selbst.

Seinen Hauptdarstellern gibt er Raum und Ruhe, um ihre Charaktere zu entwickeln. Ben Foster ("Alpha Dog", "Six Feet Under") als verschlossener Jungveteran und Samantha Morton ("Minority Report") als Soldatenwitwe liefern stille Porträts kriegsversehrter Menschen. Und Woody Harrelson ("2012", "No Country for Old Men") findet in Tony Stone endlich wieder eine Rolle, die ihn fordert. Er macht es weder sich selbst noch den Zuschauern einfach. Mit rasiertem Schädel, hartem Zug um Mund und Augen, einer nur mühsam gezügelten Aggressivität und kalten Professionalität ist sein Stone kein sympathischer Mann. Doch legt Harrelson ganz allmählich auch sanftere Facetten an ihm frei, ohne ihn dadurch zu verraten.

Immer wieder spielen Will und Tony ihr Procedere ab, und jedes Mal zeigen sich der Schmerz und der hilflose Zorn der Angehörigen auf andere, verstörende Weise. Bis man irgendwann auch als Zuschauer beginnt, sich vor dem Moment zu fürchten, wenn die beiden mit ihrem Dienstfahrzeug vor einem Wohnhaus halten.

USA 2009. Regie: Oren Moverman. Buch: Alessandro Camon, Oren Moverman. Mit: Ben Foster, Woody Harrelson, Samantha Morton. 112 Minuten.

"The Messenger" ist Film des Monats Juni der Jury der Evangelischen Filmarbeit.

epd