Der deutsche Bundespräsident ist zurückgetreten. Die Unterstellung, er habe einen grundgesetzwidrigen Einsatz der Bundeswehr zur Sicherung von Wirtschaftsinteressen befürwortet, entbehre jeder Rechtfertigung, sagte Köhler zur Begründung. Das lasse den notwendigen Respekt vor dem höchsten Staatsamt vermissen.
Der Respekt vor Köhler, er war zuletzt tatsächlich nicht mehr vorhanden. Bei den handelnden Politikern in Berlin nicht und vor allem nicht bei den Medien. Ab März häuften sich die Artikel, in denen der Bundespräsident massiv kritisiert wurde. Sein angebliches Schweigen zur Finanzkrise, zur Neuverschuldung und zu den Hartz-IV-Äußerungen waren ihm negativ angekreidet worden. Der "Spiegel" sprach von einem Präsidenten "ohne Worte". Und Heribert Prantl schrieb in der "Süddeutschen Zeitung" beinahe schon prophetisch: "Wenn sich ein Präsident längere Zeit vor jeglicher Antwort drückt, stellt er sein Amt in Frage."
Personalquerelen
Hinzu kamen offenbar Personalquerelen im eigenen Hause. Mehrere leitende Beamte verließen zuletzt das Bundespräsidialamt, zuletzt stand der Bundespräsident sogar ohne Pressechef da. Genau dies hat nun indirekt zum Rücktritt geführt. Dem Deutschlandradio hatte Köhler ein Interview zum Afghanistaneinsatz gegeben. Aber anders als etwa Margot Käßmann, die mit dem einfachen Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" den Nerv der Deutschen traf, langte Köhler daneben.
Hart formuliert könnte man sagen, dass Köhler nun wegen seiner fehlenden rhetorischen Fähigkeiten gegangen ist. In dem Interview hatte er umständlich darüber geredet, dass bei einem Land mit Außenhandelsabhängigkeit im Zweifel, im Notfall auch ein militärischer Einsatz nötig sei, um die Interessen zu wahren. Was hängen blieb war letztlich diese Schlagzeile: "Host Köhler befürwortet militärische Einsätze zur Wahrung ökonomischer Interessen." Köhler stand da, wie ein kalter Betriebswirtschaftler, der für Profit über Menschenleben geht.
Dieser Eindruck ist falsch. Köhler ist tatsächlich nicht rhetorisch brillant. Angela Merkel hatte ihn gemeinsam mit Guido Westerwelle aus dem Hut gezaubert, um gemeinsam Macht zu demonstrieren. Statt etwa Wolfgang Schäuble wollte Merkel wohl auch einen Bundespräsidenten, den sie für berechenbar und vor allem nicht für unbequem hielt. Das Kalkül ging nicht auf, weil Köhler sich nie zu einer Symbolfigur eines schwarz-gelben Projektes entwickelte, wie es ein Wolfgang Schäuble, vielleicht auch ein Wolfgang Gerhardt (FDP) hätte sein können. Als Erklärer einer Krisen- und Sparpolitik fiel Köhler aus. Die Hauptwaffe eines Bundespräsidenten, die Sprache, die Kraft der Rede, war bei Köhler von Beginn an stumpf.
Einsatz für Afrika
Aber Horst Köhler ist nicht kühl. Er hat sich eingesetzt, vor allem für Afrika. Der schwarze Kontinent lag ihm am Herzen. Dorthin ist er oft gereist, für Afrika hat er viel getan, den Menschen dort hat er geholfen. Er hat sich bemüht, dass Europa Afrika auch in der Krise nicht vergisst. Das ist ihm – in seinen Möglichkeiten – auch gelungen. Mit Horst Köhler verliert Deutschland nun einen Bundespräsidenten, der sich um die Entwicklungshilfe verdient gemacht hat. Nicht umsonst erhielt Köhler bei seiner Wiederwahl zuletzt auch Stimmen von Entwicklungspolitikern der Grünen und der SPD.
Für CDU und FDP ist der Rücktritt von Horst Köhler ein weiterer Schlag. Er war der Präsident dieser Koalition, die Regierungsparteien müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie ihren Präsidenten nicht besser verteidigt haben. Oder sie müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie nicht den falschen Mann ins Amt gewählt haben. Auch, wer Köhler nun nachfolgen soll, ist offen. Die schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung war bei der vergangenen Bundespräsidentenwahl knapp, diesmal ist sie offenbar komfortabler. Es wird dennoch nicht leichter für die Koalition, einen der ihren nun erneut ins höchste Staatsamt zu bringen. Die Personalie muss überzeugend sein.