Den Titel "furchteinflößenster Mann Hollywoods", den ihm irgendein Magazin verpasst hat, hat sich Dennis Hopper hart verdient. Er war das Wilde, Monströse, Unzivilisierte, Enthemmte, Zugedröhnte, Geile, Kaputte, Böse auf der Leinwand. Und das steht jetzt nicht mehr auf. Nicht wie in all diesen anderen Filmen seit seiner Wiederentdeckung in "Blue Velvet" (1986), "Red Rock West" (1993) oder "Speed" (1994), in denen er eher hauste, als dass er bloß mitspielte, und in denen er nicht einfach starb und liegen blieb, sondern wieder und wieder kehrte, um ein ganzes Land zu traumatisieren.
Der aasigste Schurke von allen
Dennis Hopper, der aasigste Schurke von allen, der Regisseur, Maler, Bildhauer, Fotograf und Kunstsammler ist am Freitag in Venice bei Los Angeles an Prostatakrebs gestorben. Dabei war er noch lange nicht fertig mit der Welt, dem Kino und der eigenen Kunst. Einen Film wollte er demnächst drehen über die Obdachlosen im kalifornischen Venice Beach, in dem er selbst seit Jahrzehnten in einem Haus wohnte, das der Architekt Frank Gehry für ihn entworfen hatte. Wie ein silbernes Raumschiff sieht dieses Gebäude aus und passt natürlich gut zu jemandem, der aus aus der Gegenwart gefallen zu sein scheint und nicht aufhören mag, den eigenen Visionen von Kunst und Kino zu folgen.
Hopper war gerademal 18 als er mit seinem Freund James Dean "... denn sie wissen nicht, was sie tun" und "Giganten" (1955) gedreht hatte. Nach Deans Fahrt in den Tod verlor auch Hopper seinen Halt. Er sabotierte Dreharbeiten, brachte ganze Teams zur Raserei, wenn er zwanzig Takes hintereinander mit unabgesprochenen Aktionen verhagelte, galt als launenhaft, cholerisch und schwierig. Schließlich als unbesetzbar. Ein rebel without a cause, eben einer, der noch nicht genau wusste, gegen was überhaupt es sich zu rebellieren lohnt. Bis Hopper seinen ersten Film machte und damit seine eigene Legende schuf.
Kampf gegen das Establishment
Mit einem minimalen Budget dreht er 1969 gemeinsam mit seinem Freund Peter Fonda "Easy Rider". Einen Film voller Freiheitsdrang, der so intensiv ist, dass er vor lauter Kampf gegen das Establishment am Ende in der Zerstörung selbst aufgehen muss. Zwei Typen auf ihren Harleys, die über die Highways ziehen, als seien sie die letzten Cowboys auf dieser Erde. Die letzten Frontiers, die noch wissen, wie der Wind und der Staub schmeckt. Eine ihrer Maschinen, die mit ihrem blaurotweißen Stars-and-Stripes-Tank haben sie liebevoll "Captain America" getauft.
"Easy Rider" wurde ein unglaublicher Kassensschlager. Und weil Hollywood die Erfolgreichen liebt und schloss es den verlorenen Sohn wieder in die Arme. Hopper konnte sich endlich an ein Projekt machen, von dem er schon lange geträumt hat. Er zieht mit einem Trupp kreativer Freunde nach Peru und dreht einen der mutigsten, tiefsinnigste und kritischsten Filme des amerikanischen Kinos überhaupt: "The Last Movie". Eine bittere Parabel auf die Ausbeutung und Unterdrückung eines lateinamerikanischen Landes. Zugleich ist es ein Film über die Achtlosigkeit und Brutalität des Filmemachens selbst geworden.
Schließlich bringt in diesem Film-im-Film-Stoff ein Team für eine paar Wochen Aufregung, Geld und Alkohol in ein kleines Andendorf und stellt eine ursprünglich abgeschiedene Welt brachial auf den Kopf. Die Einwohner verlieren ihren alten Glauben, staunen lieber die Wunder der Lichtspiele an und können lange nicht zwischem Spiel und Wahrheit unterscheiden. Nichts wird am Ende wieder sein wie es war, nichts wird wieder ganz oder gut.
Wankende Schauspieler, rauschhafte Kamera
Alkohol und Drogen sind nicht nur Zugaben vor der Kamera, sie bestimmen auch zunehmend die Realität am Set. Wankende Schauspieler und eine rauschhafte Kamera sind nicht nur stilistische Mittel sondern dokumentieren auch eine heillose Auflösung. Selbst der Schnitt scheint befallen, mal driftend, mal alles zerhackend. Der illusionistische Kult des Kinos, seine durchgängige Oberfläche ist diesem zerstörerischen wie kreativen Akt zum Opfer gefallen. Das Fragment des Filmendes spiegelt das ganze Delirium während des Drehs wieder. Die Produktionsfirma tobt. Als Hopper sich weigert umzuschneiden, wird der Film wieder aus den Kinos zurückgezogen.
Hopper geht zu einer Hippie-Kommune ins Exil. Er versinkt für viele Jahre in einen Rausch aus Whisky, Drogen und Apathie und landet schließlich in der Psychiatrie, bis David Lynch ihm eine Sauerstoffmaske aufsetzt und ihn als "Fuck you, fucking fuck"-schmatzenden Frank Booth in "Blue Velvet" (1986) wieder auf die Leinwand zerrt. Nüchtern und klar wie seit Jahrzehnten nicht mehr spielt Hopper die alptraumhaftesten Perversionen eines Sadisten, der Isabella Rosellini das Leben zur Hölle macht. Mit ihm und seinem Frank Booth schien das amerikanische Kino nach einmal und dieses Mal endgültig seine Unschuld zu verlieren. Der Psychopath stand ab jetzt vor seinen weißgestrichenen Zäunen, über denen die Rotkehlchen zwitscherten und die Schäfchenwolken gleichgültig vorbeizogen. Und er fand fortan immer einen Weg hinein.
Amerika war ein herrliches Land
"Amerika, das war einmal ein herrliches Land", sagt Jack Nicholson in "Easy Rider" in etwa an einer Stelle. "Und ich weiß nicht, was jetzt damit los ist. Die Amerikaner, sie reden von Freiheit, sie reden, sie reden. Aber sehen sie ein freies Individuum, haben sie Angst." Wenig später werden die Ritter auf ihren glänzenden Shoppern auf ihrem Ritt zur Sonne, zur Freiheit von agressiven Spießern aus einem Truck abgeknallt. - Vielleicht dürfen wir uns den "furchteinflössensten Mann von Hollywood" als einen seiner Freiesten vorstellen. Immer unterwegs zur eigenen Sonne im eigenen System. Farewell, Captain America!