Bischof begrüßt Medienkritik an Kirche und Religion
Der Schleswiger evangelische Bischof Gerhard Ulrich hat einen kritischen Umgang der Medien mit Religion und Kirche befürwortet. "Unsere Freiheit lebt davon, dass wir Kritik aneinander üben", sagte Ulrich bei der Aufzeichnung der Fernseh-Talkshow "Tacheles" in Hannover.

"Wir dürfen nicht Ursache und Wirkung verwechseln. Wir müssen hineinschauen in den Spiegel", so Ulrich in der Sendung. Die einstündige Debatte aus der evangelischen Marktkirche in Hannover wird am Sonntag um 13 Uhr und 22.30 Uhr vom Fernsehsender "Phoenix" ausgestrahlt.

Zur Berichterstattung über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche sagte der Bischof: "Es gibt falsches Verhalten von Menschen in einer Institution. Aber die Institution selbst dafür verantwortlich zu machen, halte ich für schwierig." Die Berichterstattung darüber und auch über den Rücktritt der früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, bewertete Ulrich insgesamt als ausgewogen. Käßmann war Ende Februar wegen einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss von ihren Ämtern zurückgetreten.

Kritik an Türken-Klischees

Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir kritisierte in der Debatte zum Thema "Religion, Medien und Klischees" klischeehafte Darstellungen von Türken: "Sie werden reduziert darauf, ob sie Muslime sind oder nicht." Seien sie Muslime werde ihnen unterstellt, dass sie zu Zwangsehen oder Ehrenmorden bereit seien. Diese Klischees müssten aufgebrochen werden.

Auch der Buchautor Kay Sokolowsky beobachtet verzerrte Darstellungen von Muslimen in den Medien. Zwar berichteten viele Journalisten differenziert, aber andere suchten geradezu die Klischees. "Da beginnt das rassistische Ticket", sagte Sokolowsky. Muslime lebten seit 40 Jahren in größerer Zahl in Deutschland und in kleinerer Zahl schon viel länger: "Behandeln wir die Vertreter dieser Religion nicht so, als wären sie Exoten."

Der Herausgeber der Tageszeitung "Die Welt", Thomas Schmid, führte das Bild der Muslime in der Öffentlichkeit auf die Terroranschläge seit dem 11. September 2001 zurück: "Die Frage muss gestellt werden, warum viele Attentäter das unter dem Signum des Islam tun." Ebenso müsse gefragt werden, warum die Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche hätten stattfinden können.

"Spöttische Haltung ist verbreitet"

Allerdings gebe es unter Journalisten eine Tendenz, Kirche und Religion als "Orte der Unaufgeklärtheit" zu sehen und sie mit Dunkelheit und Finsternis in Verbindung zu bringen, räumte Schmid in der evangelischen Talkshow-Sendung ein: "Eine spöttische Haltung ist verbreitet." Auch in den Berichten über den Rücktritt Margot Käßmanns sei in einzelnen Fällen "ein Stück der üblichen Schadenfreude und Häme" durchgekommen.

epd