Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner sieht ihn als Retter des Journalismus in der Internet-Ära: Jeder Verleger sollte einmal am Tag Apple-Gründer Steve Jobs in sein Gebet einschließen und ihm für sein segensreiches Wirken für die Medienindustrie danken, hatte Döpfner unlängst in einer US-Talkshow gesagt. An diesem Freitag kommt das iPad in Deutschland auf den Markt. Die Lobeshymnen der Branche auf Apples Tablet-Computer fallen allerdings gedämpft aus.
Zwar startet neben Axel Springer auch der "Spiegel" an diesem Freitag eine eigene iPad-Anwendung, eine sogenannte App. Doch viele Verlage warten mit eigenen Angeboten für die digitale Schiefertafel erst einmal ab.
Mario García schwärmt, Springer ist vorn dabei
Dabei verheißt der Minicomputer mit berührungsempfindlichem Bildschirm (Touchscreen) den Nutzern eine neue, schöne Welt an Lese-Erfahrungen und den Zeitungen die Aussicht, im Netz endlich Geld zu verdienen. Mit dem Zeigefinger über die Seiten streichen, per sanftem Druck ein Video starten, in der U-Bahn Zeitung lesen, ohne beim Nachbar anzuecken - das iPad sei eine ähnliche Revolution für die Verlagswirtschaft, "wie einst der Farbdruck", schwärmte der Zeitungsdesigner Mario García, der Blätter wie das "Wall Street Journal" und "Die Zeit" gestaltet hat und jetzt auch iPad-Apps entwickelt. Vor allem der Werbewirtschaft bietet die Oberfläche in der Größe eines DIN-A4-Blatts neue Darstellungsformen.
Pünktlich zum Start in Deutschland ist Axel Springer mit eigenen Anwendungen dabei. Europas größtes Zeitungshaus steckt früh das Revier ab. Der Verlag erwirtschaftet bereits rund 20 Prozent seines Umsatzes aus Internet-Erlösen. "Wir verstärken die Entwicklung kostenpflichtiger Produkte sowie kostenfreier, reichweitenstarker Plattformen", sagt Romanus Otte, bei der "Welt"-Gruppe für die Internet-Entwicklung zuständig.
Mit der "Welt"-Applikation lassen sich die Seiten horizontal verschieben, Artikel und Multimedia-Anwendungen leicht abrufen. Bei Kosten von 11,99 Euro im Monat bietet die App exklusive Angebote, etwa Auslandsreportagen oder Geschichtsthemen. "Der Spiegel" bleibt bei seinen Angeboten ebenfalls unter den Preisen der Printausgabe. Im Einzelkauf kostet die App 3,99 Euro, ein Abonnement wird 3,65 Euro pro Heft kosten.
Deutsche Konkurrenz für den amerikanischen Giganten
Auch andere Konzerne stehen mit kostenpflichtigen Applikationen in den Startlöchern, lassen sich aber mit dem Marktauftritt Zeit. Noch immer gibt es in der Branche starke Zweifel, ob die neue Technik die Verluste an Lesern und Erlösen aus der gedruckten Welt ausgleichen kann.
"Es geht uns nicht darum, auf Biegen und Brechen mit dem iPad-Verkaufsstart mit eigenen Apps auf den Markt zu gehen, nur um irgendetwas anzubieten", sagt etwa Gruner+Jahr-Sprecher Thilo von Trott. Ende März präsentierte Vorstandschef Bernd Buchholz eine elektronische Ausgabe des "Stern". Das Magazin kann auf dem iPad gelesen werden, aber auch auf dem WeTab des deutschen Entwicklers Neofonie.
Der Berliner Mittelständler baut - nach einem etwas holprigen Start - das WeTab als Konkurrent zum iPad auf. Außerdem entwickelt er eine Anwendungsplattform, mit der etwa das "Stern eMagazine" laufen soll. Gruner+Jahr arbeitet aber auch mit der Konzernmutter Bertelsmann an einem Online-Kiosk - laut Konzernsprecher von Trott "eine offene, transparente Plattform für alle und für sämtliche stationären und mobilen Endgeräte geeignet".
Grundproblem: Apple bietet nur eine geschlossene Plattform an
Grund für die Zurückhaltung der Verlage gegenüber dem iPad sind unter anderem Apples Geschäftsbedingungen. Der US-Riese knöpft den App-Anbietern 30 Prozent des Umsatzes ab und schreibt strenge Benimmregeln für Applikationen vor. Nacktfotos etwa sind untersagt, was schon zu Sperrungen von Inhalten auf Apples iPhone führte.
Die Verlage sehen eine Abhängigkeit von Apple skeptisch, sagt Holger Kansky, Multimediaexperte beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). In der geschlossenen App-Welt sei die direkte Kundenbeziehung nicht vorgesehen. Die Gretchenfrage ist für Kansky, ob die Verlage bereit seien, "reine Inhaltelieferanten zu sein und den digitalen Vertrieb und damit wertvolles Wissen über ihre Leser an Dritte abzugeben".
Skeptisch ist auch Internet-Guru Jeff Jarvis. "Das iPad ist rückständig", nur für den Konsum konzipiert, zur Kontrolle der Nutzer, die sich in einem geschlossenen "App"-Universum bewegen sollen, schreibt Jarvis in seinem Blog. Das Internet habe den Menschen die Kontrolle über den Medienkonsum gegeben und die Möglichkeit, Nachrichten zu kommentieren, zu mailen und zu verlinken: "All das geht mit dem iPad nicht."