Bar, Bier, Powerpoint: Pecha Kucha und "Nerd Nites"
Eine neue Art der Abendunterhaltung macht sich unter der Online-Generation breit: Powerpoint-Vorträge in einem festen Format, die auch mal lustig sein dürfen. Zwei Varianten haben sich etabliert, sie heißen Pecha Kucha und "Nerd Nites". Das Konzept ist amerikanisch, aber auch hierzulande findet es - meist in den Großstädten - zunehmend Anhänger.
27.05.2010
Von Marcus Kirzynowski

Die Sumpfschrecke habe ihm schon einigen Ärger bereitet, beklagt Robert Ullrich, während hinter ihm ein Bild der Heuschreckenart an die Wand geworfen wird. "Wegen der mussten wir in der Planung schon mal einen ganzen Stadtteil um einen halben Kilometer verschieben", erzählt der Stadtplaner aus Monheim bei Köln. Einige Powerpoint-Folien weiter kommt er auf einen Hasenfluchtweg zu sprechen, den er bei einer Bauplanung zu berücksichtigen hatte. "Die Hasen hätten über eine belebte Bundesstraße laufen müssen." Während die Bilder den Irrweg der Nager nachzeichnen, tobt das Publikum, überwiegend Leute zwischen 20 und 40 Jahren, vor Lachen.

Ausgelassene Atmosphäre ist bei Vorträgen mit dem PC-Präsentationsprogramm Powerpoint eher ungewöhnlich. Aber Ullrich spricht auch nicht in einem trockenen Uni-Seminar, sondern bei der Pecha-Kucha-Nacht in einer ehemaligen Autowerkstatt in Köln. Diese Veranstaltungsreihe liegt im Trend - immer mehr Kreative nutzen die oft ungeliebte Software, um ihre Themen in lockerem Rahmen an Gleichgesinnte zu vermitteln.

Jeder kommt zu Wort beim "Plappern"

Pecha-Kucha-Abende gibt es bereits in mehr als 300 Städten weltweit, in Deutschland unter anderem in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Dresden und Stuttgart. Und in München existiert seit vergangenem Jahr mit der "Nerd Nite" eine Veranstaltung, die ebenfalls Powerpoint zur Unterhaltung einsetzt.

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Pecha Kucha kommt ursprünglich aus Tokio, der Name ist der japanische Begriff für "Plappern". Die Idee dazu hatten 2003 zwei Architekten: die Deutsche Astrid Klein und der Brite Mark Dytham, die in Tokio ein Architekturbüro leiten. Hauptziel ist, den Gedankenaustausch zwischen Menschen aus verschiedenen Bereichen zu fördern.

"Durch ein enges Zeitfenster kommt jeder zu Wort", sagt Steffen Bärenfänger, einer der Veranstalter des Kölner Ablegers. Denn der Clou bei Pecha Kucha ist: Jeder Vortragende hat nur 20 Folien zur Verfügung - und alle 20 Sekunden wird automatisch die nächste an die Wand geworfen. In insgesamt 6 Minuten 40 Sekunden muss er also sein Thema abgehandelt haben. Langweilig wird es dabei selten.

"Die Vorträge sollen ein Thema anteasern, neugierig machen", erklärt Bärenfänger, im Hauptberuf Geschäftsführer einer Agentur für Internetmarketing. Im Anschluss können die Zuhörer es beim Bier mit dem Referenten vertiefen. Das Themenspektrum, ursprünglich auf Architektur und Design beschränkt, ist inzwischen längst völlig offen. So gibt es Vorträge zu Kunst, Wissenschaft und politischen Aktionen.

Von Pecha Kucha zu Nerd Nites

Für Stadtplaner Robert Ullrich ist es der erste Pecha-Kucha-Vortrag. Er hat aber schon einmal einen Freund zu seinem Auftritt begleitet. "Mir gefiel, dass man in kurzer Zeit Anregungen aus einem bunten Blumenstrauß unterschiedlichster Themen bekommt", sagt er. So habe er beim vergangenen Mal unter anderem gelernt, was er tun müsse, wenn im Jumbojet der Pilot ausfällt.

Der Künstler Stephan Brenn präsentierte in Köln Poesie aus Buchstabenspuren, die er auf alten Farbbändern von Schreibmaschinen gefunden hat. "Nur ein Prozent meiner Funde sind Wörter", sagt er. "Aber das sind alles Hinterlassenschaften unserer Vorfahren, mit denen niemand damals gerechnet hat." Während der Computer sie an die Wand projiziert, liest Brenn einige seiner Zufallstexte laut vor - meist sinnlose Buchstabenreihen. Viele Zuhörer lachen laut auf.

Während es Pecha-Kucha-Abende inzwischen weltweit gibt, finden sich Freunde der "Nerd Nites" bisher nur in den USA und in München. Der Internet-Entwickler Patrick Gruban entdeckte die Veranstaltungsart in Boston, wo sie 2003 auch erfunden wurde, und brachte sie im vergangenen Sommer nach Bayern. Auch hier ist das Ziel, sich mit Hilfe von Powerpoint einen anregenden und unterhaltsamen Abend zu machen. "Weggehen und beim Bier noch etwas lernen", nennt Gruban das.

"Wir können stolz sein, Nerds zu sein"

Bei der Nerd Nite steht eher die Wissensvermittlung im Vordergrund, haben die Referenten dabei doch jeweils 15 Minuten Zeit für ihre Themen. Die reichen von Quantenphysik bis zu "Religionen in der Zeit vor Kolumbus". Nach den Vorträgen ist jeweils eine Viertelstunde Zeit zur Diskussion. "Das ist eine gute Plattform für Wissenschaftler, deren Freunde nicht wissen, was sie eigentlich genau machen", meint Gruban.

Der Begriff "Nerd" für Computerfreaks und Leute, die viel Wissen in abseitigen Themengebieten haben, war in Deutschland bis vor kurzem noch ausschließlich negativ besetzt. Die Veranstalter nutzen ihn jedoch ganz offensiv. "An Leuten wie Bill Gates sieht man ja, dass viele Nerds erfolgreich sind", sagt Gruban, "wir können stolz sein, Nerds zu sein." 
 

epd