Millionen von Menschen haben diese Kirche bestimmt schon einmal aus dem Augenwinkel gesehen. Die Epiphanias-Kirche in Bochum-Hamme kann man nämlich nicht übersehen: Ihr Erkennungszeichen ist der hohe Backsteinturm mit dem großen Metallkreuz an der Spitze. Über 100.000 Autos fahren täglich an ihr vorbei. Kein Wunder - schließlich steht die Kirche an der meist befahrenen Straße im Ruhrgebiet, direkt an der A40. Der besondere Ort ist jetzt das Markenzeichen dieser 36. Autobahnkirche und zugleich der ersten im Ruhrgebiet, die am Sonntag feierlich eröffnet wurde.
Brigitte Engelkamp ist gerne in ihrer Kirche. Sie genießt die Ruhe, liest oft ein Buch und wartet. Wartet auf Menschen, die vielleicht kommen werden. "Es ist gut, dass die Kirche offen ist. Und vielleicht kommt einmal jemand, der froh ist, dass ich hier sitze", sagt die 60-Jährige, die zur Epiphanias-Gemeinde der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) gehört. Bereits seit dem vergangenen Jahr sorgt Engelkamp mit anderen Ehrenamtlichen dafür, dass die Kirche an drei Tagen in der Woche für mehrere Stunden für Besucher geöffnet ist. Sozusagen ein Probelauf für die Autobahnkirche, denn ab Juni soll sie dann von 8 bis 20 Uhr durchgehend geöffnet sein.
Einstimmige Entscheidung
Die Gemeinde hatte sich einstimmig für den Schritt zur Autobahnkirche entschieden. Sinn der Autobahnkirche sei es, die Menschen für den christlichen Glauben zurückzugewinnen und ihnen "einen Ort der Ruhe zu geben". In diesem Bekenntnis habe sich die Gemeinde zu dem Projekt entschlossen, erklärt Peter Egen vom Gemeindevorstand. "Gerade auch in Zeiten, wo Werte in der Gesellschaft eine immer geringere Rolle spielen."
Die Entscheidung sei "ein Geschenk des Himmels" gewesen, sagt Pfarrersfrau Ruth Gerth. Oft habe die Gemeinde unter dem schlechten Standort gelitten, an dem sie quasi mitten auf der Kreuzung Gottesdienst feiert. Jetzt sei der Gemeinde aber die Möglichkeit vor die Füße gelegt worden, sich zu öffnen. "Mit den Aufgaben wachsen Herausforderungen", sagt Gemeindepfarrer Karl-Heinz Gehrt.
Ökumenisches Projekt
Von diesen hat die selbstständige Gemeinde einige. Schließlich finanziert sie das Projekt und trägt auch die Verantwortung ganz alleine. Es soll ein ökumenisches Projekt werden, das will die Gemeinde. Auch deshalb wird in den kommenden Wochen noch eine Ikone ihren Platz im Kirchenraum finden. Von gelebter Ökumene hat die Gemeinde allerdings noch nicht viel bemerkt. Sie hatte gehofft, dass sich die großen Landeskirchen auch finanziell und personell beteiligen, oder zumindest andere evangelische oder katholische Ortsgemeinden Mitglied im Förderverein werden - bisher Fehlanzeige.
Bisher stemmen sie das Projekt ganz allein. 25 Ehrenamtliche aus der Gemeinde haben sich schon gemeldet und wollen vor Ort für Gespräche mit Besuchern und zur Aufsicht bereit stehen. Damit kann aber nur etwa ein Drittel der Öffnungszeit abgedeckt werden. In der verbleibenden Zeit werde die Kirche unbewacht sein. Das sei zwar ein Risiko. "Aber wir können nicht aus Angst vor Risiken die Kirche wieder schließen", sagt Pfarrer Gehrt (Foto rechts).
Mit Industriebau verwechselt
Ideengeber des Projektes war der Essener Pfarrer Andreas Volke, der die Kirche zuerst fälschlicherweise für einen alten Industriebau gehalten hatte. Neugierig geworden fuhr er dann eines Tages einfach mal von der A40 ab, um nach zuschauen, was sich hinter der Backsteinfassade verbirgt. Schnell war die Idee gereift, die jetzt im Kulturhauptstadtjahr verwirklicht werden soll. "Die Kirche gehört nah an den Lebensweg der Menschen", sagt der Leiter des evangelischen Kulturbüros zur Kulturhauptstadt RUHR.2010.
Auch Birgit Krause von der Akademie der Bruderhilfe, die einen Autobahnkirchenführer veröffentlicht, ist begeistert. Die Situation der Epiphanias-Kirche sei "optimal" für die Nutzung als Autobahnkirche, sagte sie bei ihrem letzten Besuch in Bochum. Sie werde die erste Autobahnkirche in einer Großstadt sein und habe Modellcharakter.
"Kirche gibt ein vertrautes Gefühl"
Schon vor der offiziellen Eröffnung hat die Autobahnkirche schon viel Besuch bekommen. Denn die Busse der "Church Tours", einer Rundfahrt im Kulturhauptstadtjahr zu besonderen Kirchen im Ruhrgebiet, halten hier oft auf dem Weg von Essen nach Dortmund. Mit dabei diesmal Pfarrer aus Halle in Westfalen, die sich gleich heimisch fühlen. "Die Kirche gibt ein vertrautes Gefühl, ein Gefühl von Geborgenheit. Mit dem Teppichboden ist es fast wie in einem Wohnzimmer", sagt Christian Eckey. Hier können die Menschen, die diese Kirche aufsuchen, möglicherweise genau das finden, was sie suchen, glaubt der Pfarrer.
Ein Ort der Ruhe, Teil des Kulturhauptstadtjahres, doch abseits vom ganz großen Rummel - das ist die Autobahnkirche Ruhr. Aber nur Stille wird es hier nicht geben, denn die die Epiphanias-Kirche bleibt auch Gemeindekirche, mit allen ihren Aktivitäten und Gruppen, die sich regelmäßig treffen. Sie ist damit eine etwas andere Autobahnkirche, still und doch voller Leben. Kein Ort weitab einer Stadt an irgendeiner Raststätte, sondern mittendrin.