Clint Eastwood wird 80 Jahre alt und immer besser
Ans Aufhören denkt Clint Eastwood noch lange nicht - auch wenn er am 31. Mai 80 Jahre alt und vielleicht nicht mehr wie angekündigt als Schauspieler vor die Kamera treten wird.
26.05.2010
Von Rudolf Worschech

Zwei Oscars für den besten Film hat er bereits gewonnen, für den großen Spätwestern "Erbarmungslos" (1992) und für "Million Dollar Baby" (2005), das sensible Drama einer Boxerin. Das schafft nicht jeder in Hollywood. Sein neuester Film "The Hereafter", ein Mysterythriller, ist fertiggestellt.

Filme handeln von existenziellen Dingen

Sein vorerst letzter Film handelt von so etwas wie der Geburt einer Nation. "Invictus", Anfang des Jahres in unsere Kinos gekommen, dreht sich um das Endspiel der Rugby-WM 1995 in Südafrika, als die Southafrican Springboks überraschend gegen die All Blacks aus Neuseeland gewannen. Rugby galt in Südafrika, das sich gerade von der Apartheid befreit hatte, als "weißer" Sport, und in "Invictus" geht es um den Traum, der zumindest kurzzeitig Ethnien und politische Gegner eint. Im Mittelpunkt steht Präsident Mandela (eine Traumrolle für Morgan Freeman), und wenn man will, kann man diesen Film auch als eine filmische Erwartungshaltung an Barack Obama interpretieren.

Und vielleicht speist sich aus solchen Bezügen auch die Faszination an den Filmen von Eastwood: Sie handeln oft von existenziellen Dingen, von Liebe und Tod, von Schuld und Vergebung, von der Einsamkeit des Außenseiters und dem Aufgehobensein in einer (Ersatz-)Familie. Und im Laufe der Jahre ist ein ganz besonderes amerikanisches Geschichtspanorama zusammengekommen, das vom Bürgerkrieg ("Der Texaner") über die dreißiger Jahre ("Der fremde Sohn"), den Zweiten Weltkrieg (die beiden Filme um die Eroberung der Insel Iwo Jima) bis in die Jetztzeit reicht. Und faszinierend an seinen Filmen ist auch deren Erzählweise, die wunderbar altmodisch wirkt. Eastwood erzählt geradeaus, er mag keine Mätzchen, alles ist der Ökonomie der Geschichte untergeordnet.

Legenden kommen in die Jahre

Als Schauspieler hat man ihn zuletzt in "Gran Torino" (2008) gesehen. Aus heutiger Sicht wirkt dieser Film auch wie ein Abgesang auf die Leinwandpersona Eastwood, ein Kondensat vieler Rollen. Walt Koslowski ist einer der vielen Außenseiter, die Eastwood verkörpert hat, ein grantliger älterer Misanthrop und Feind von Ausländern - der sich aber dennoch zu ihrem Beschützer wandeln wird.

Legenden kommen in die Jahre: dieser Ton prägt das Spätwerk von Eastwood als Schauspieler. Er gehört zu den wenigen männlichen Schauspielern in Hollywood, die in Würde altern durften: die nicht plötzlich abtreten mussten oder in Altersrollen als Greise abgeschoben wurden. Man hat ihm auf der Leinwand immer sein Alter angesehen, gerade in seinem zerfurchten Gesicht, und dennoch blieb er viril und vital.

In "Ein wahres Verbrechen" (1998) präsentierte er stolz seinen freien Oberkörper, und in "Blood Work? gestand er der Haupfigur, den von ihm selbst gespielten Cop in Pension, eine Romanze mit einer viel Jüngeren zu. Das Geheimis der Attraktivität des Leinwand-Mythos Clint Eastwood ist, dass gerade seine späten Rollen das Altern selbst immer wieder zum Thema haben, sei es nun der ehemalige Revolverheld in "Erbarmungslos", der noch einmal zu einem letzten Kampf aufbricht, oder der Bodyguard in Wolfgang Petersens "Die zweite Chance", der mitunter nach Atem ringen muss.

Seine Figuren: wortkarg, stoisch, einsam, unbeirrbar

Nur wenige Schauspieler in der Geschichte des Films haben es geschafft, so unverwechselbar zu werden, dass sich der Zuschauer am Ende der Vorstellung sicher ist, dass kein anderer diese Rolle hätte spielen können. Die meisten seiner Figuren sind wortkarg, stoisch, einsam, unbeirrbar, und Eastwood verkörpert sie mit einem nur ihm eigenen mimischen und gestischen Minimalismus.

Diese bewusste schauspielerische Beschränkung, seine Coolness, bei der ein Blinzeln mit den Augen schon über Tod und Leben entscheidet, wurde zu seinem Markenzeichen. Eastwood hat sie kultiviert in Leones "Dollar"-Trilogie aus den sechziger Jahren, die ihn zum Weltstar machte, und in den "Dirty Harry"-Filmen als Cop Harry Callahan, der in den Straßen von San Francisco mit einer 45er Magnum aufräumt.

Das kann auch eine schwere Hypothek sein. Und schon früh hat Eastwood begonnen, sein eigenes Leinwand-Image zu unterminieren, und vielleicht ist es gerade dieser selbstreflexive Umgang mit seinem eigenen Mythos, der seine Figur des Loners bis "Gran Torino" überleben ließ. Schon in Don Siegels "Betrogen" von 1970 spielt er einen verwundeten Yankee-Soldaten, der während des amerikanischen Bürgerkriegs von den Insassen eines Südstaaten-Mädchenpensionat buchstäblich zu Tode gepflegt wird - und war während des ganzen Films in der Hauptsache im Nachthemd zu sehen. Und "Der Mann, der niemals aufgibt", 1977 von ihm selbst inszeniert, verkörpert er einen Polizeidetektiv, der erkennen muss, dass ihn seine Naivität und Schwächen zum Spielball der Mächtigen werden ließen.

Der weinende Clint Eastwood

Mit seinem "Die Brücken am Fluss" gelang ihm 1995 eine große Überraschung, ein einfühlsamer Liebesfilm, der die nur vier Tage währende Beziehung zwischen einem Landschaftsfotografen und einer Farmersfrau, beide in fortgeschrittenem Alter, beschreibt. Doch auch diese Arbeit hat im Werk des Regisseurs Eastwood ihre Vorläufer: Schon mit seinem zweiten Film als Regisseur, "Begegnung am Vormittag" (1973), in dem er selbst nicht mitspielt, lotete er, ohne jedes Klischee, eine ungewöhnliche Beziehung aus: zwischen einem Immobilienmakler und einem Hippiemädchen.

Aber vielleicht kam die Überraschung von "Die Brücken am Fluss" auch daher, dass Eastwood, der Mann mit dem bis dato granitenen Gesicht, in diesem Film permanent in die Kamera lächelt. Das hatte man damals von ihm genauso wenig erwartet wie dass er in seinem "Million Dollar Baby? weint, über das Schicksal seines gelähmten Zöglings.

epd