Wut der Rothemden erfasst Thailands Provinzen
Bangkok beruhigt sich wieder, die Aufräumarbeiten nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rothemden und Armee haben begonnen. Das Land ist aber noch immer in Unruhe. Denn die Rothemden, die Ex-Ministerpräsident Thaksin unterstützen, sehen ihre Forderungen nicht erfüllt. Die Wurzel der Proteste, die Ungerechtigkeit der alten Ordnung, ist noch nicht gezogen: In Thailand schwelt es weiter.
24.05.2010
Von Peter Janssen, dpa

Fünf Tage nach der Militäroffensive gegen Regierungsgegner in Thailand hat die Opposition im Parlament einen Misstrauensantrag eingebracht. Sie präsentierte auch Amtsenthebungsklagen gegen Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva, dessen Stellvertreter sowie den Innen- und den Transportminister, berichtete der Rundfunk am Montag. Die Präsidenten der beiden Parlamentskammern müssen sich innerhalb von sieben Tagen dazu äußern.

Die Oppositionspartei Puea Thai, die den demonstrierenden Rothemden nahe steht, protestiert damit gegen die gewaltsame Beendigung der zweimonatigen Proteste in Bangkok, bei denen mehr als 80 Menschen ums Leben gekommen waren. Panzer und Soldaten mit Maschinengewehren hatten die oppositionellen Rothemden vergangene Woche aus der thailändischen Hauptstadt Bangkok vertrieben. Nach der Militäroffensive kehrte dort am Wochenende erstmal seit Wochen so etwas wie Normalität ein.

Aber der Frust der Regierungsgegner sitzt tief. Die Anführer des Oppositionsbündnisses UDD sind zwar in Haft, aber das Fußvolk ist in Rage. Die Rothemden haben ihren Groll mit zurück in die Provinzen genommen. Dort droht sich die nächste gefährliche Front gegen die Regierung aufzubauen.

Kampf aus dem Untergrund in der Provinz

"Jetzt, wo es keine Anführer mehr gibt, geht der Kampf in den Untergrund", sagt Yongyut Kongpatimakorn, der in Khon Kaen rund 350 Kilometer nordöstlich von Bangkok Rothemden-Proteste organisiert. Die gleichnamige Provinz ist eine Hochburg der Regierungsgegner. Während die Bilder von der Militäroffensive in Bangkok um die Welt gingen, brannte hier vergangene Woche das Rathaus. Hunderte wütende Rothemden attackierten das Gebäude ebenso wie die Büros des öffentlichen Fernsehsenders und das Haus des Politikers Prajak Klaewklarharn, der einer Partei der Regierungskoalition angehört.

"Die Rothemden sind jetzt eine kopflose Bewegung, der niemand sagt, in welche Richtung ihre Fäuste schlagen sollen. Was jetzt passiert, ist unvorhersehbar und könnte außer Kontrolle geraten", sagt Yongyut (74). Die Rothemden verlangten in Bangkok den Rücktritt der Regierung, die erst nach einem umstrittenen Gerichtsurteil und dubiosen Machtverschiebungen im Parlament an die Macht kam. An der Wahlurne hatten Ende 2007 Parteigänger des vom Militär gestürzten Thaksin Shinawatra gewonnen, den die Rothemden glühend verehren.

Unter Thaksin fühlten sich die Armen ernstgenommen

Thaksin hatte den armen Massen in seiner Amtszeit erstmals bezahlbare Krankenversorgung verschafft und förderte Kleinunternehmer mit Mikrokrediten. Als Dank bekam er ihre Stimmen. Die armen Regionen im Nordosten, wo fast die Hälfte der rund 66 Millionen Thailänder lebt, sind eine unschlagbare Wählerbasis. Thaksin nutzte diese Basis und baute seine Macht aus. 2006 wurde er nach langen Straßenprotesten von Anhängern der alten Ordnung gestürzt. Er hatte den Armen aber erstmals das Gefühl gegeben, etwas zu zählen. Sie wollen nun nicht mehr hinnehmen, dass die Politik in Bangkok nach undurchsichtigen Kungeleien wieder in den Händen des alten Establishments ist. Thaksin, der vor einer Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs ins Exil flüchtete, auch nicht.

"Thaksin hat hunderte Millionen Baht für den Transport und das Essen der Rothemden bezahlt", sagt Yongyut (74), ein glühender Anhänger Thaksins. "Er hat die Demonstranten nicht bezahlt, aber sie waren froh, dreimal am Tag umsonst etwas zu essen zu bekommen." Dass sie nach dem unrühmlichen Ende ihrer Proteste ohne etwas erreicht zu haben aufgeben, ist unwahrscheinlich. Das zeigt schon die Wut unter den Rothemden, die sich nach dem Militäreinsatz entlud, als sie in Bangkok mehr als 35 Gebäude in Brand setzten.

"Ich glaube, dass die meisten Menschen hier im Nordosten die Gewalt und die Brandstiftungen nicht gut fanden", sagt Buapun Promphakping, Soziologie-Professor an der Khon-Kaen-Universität. "Aber die meisten dürften mit den Forderungen der Rothemden übereinstimmen: Sie wollen Demokratie, mehr Gleichheit, und sie wollen nicht die tradionelle Bürokratie, die alles managt und die alte Doppelmoral." Damit bezeichnen Thailänder die Tatsache, dass immer wenn es drauf ankommt, die Reichen mit guten Beziehungen die Oberhand über "den Mann auf der Straße" behalten. "Die Rothemden werden weiter protestieren", prohpezeit der Professor.

dpa