Zehn Jahre gegen Extremismus mit positiver Bilanz
In den 1990er Jahren gingen in Deutschland Asylbewerberheime in Flammen auf, Ausländer mussten sich in Teilen des Landes wie Freiwild vorkommen. Die 1998 neu gewählte rot-grüne Bundesregierung sagte dem Rechtsextremismus den Kampf an - und gründete vor zehn Jahren, am 23. Mai 2000, das "Bündnis für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt". Ein Datum mit Symbolkraft: An diesem Tag wurde 1949 das deutsche Grundgesetz feierlich verkündet. Das Bündnis hat sich vor allem dem Kampf gegen Rechtsextremismus verschrieben. Ob es auch genug gegen Linksextremismus tut, darüber gehen im Bündnis-Beirat die Meinungen auseinander.
23.05.2010
Von Christian Spöcker

"Wir sind bereit, jedes gute und nachhaltige Engagement zu unterstützen", sagt die stellvertretende Geschäftsstellenleiterin Kim Hartmann, allerdings müsse es Demokratie und Toleranz fördern: Für Umweltschutz sei man nicht der richtige Ansprechpartner. Das Bündnis setzt sich gegen Gewalt, Extremismus, Judenfeindlichkeit und für Integration, Demokratie und Toleranz ein.

Derzeit sind 440 Initiativen aus ganz Deutschland Teil des Bündnis-Netzwerks. Ihre Projekte reichen von Hilfen für Kinder aus Berliner Plattenbauten bis hin zu "Gewalt ist keine Lösung"-Trainings. Manche der Initiativen bekämen zwar auch Geld, sagt Hartmann. Doch das Bündnis sieht sich nicht als "Fördermittelstelle", sondern will in erster Linie "Ansprechpartner und Impulsgeber": Bürgerengagement soll gebündelt und öffentlich gemacht werden.

Streit um das Vorgehen gegen Linksextremismus

Das Bundesinnenministerium finanziert das Bündnis mit einer Million Euro im Jahr. Von dem Geld wird auch ein jährlicher Jugendkongress veranstaltet, zu dem vom 20. bis 24. Mai wieder mehr als 400 Jugendliche aus ganz Deutschland nach Berlin kommen werden. Außerdem gibt es den "Victor-Klemperer-Jugendwettbewerb" und den Preis "Aktiv für Demokratie und Toleranz".

Mit diesem Preis würdigt das Bündnis den Kampf gegen "verfassungsfeindliche Ideologien und Extremismus aller Art". Doch die Auslegung von "Extremismus" sorgt intern für Streit: Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), die bis Anfang des Jahres im Bündnis-Beirat saß, hatte sich stets dafür eingesetzt, auch den Kampf gegen den Linksextremismus aufzunehmen. Das gefiel nicht jedem.

"Im Beirat des Bündnisses wird das Thema bereits seit 2007 kontrovers diskutiert", sagt die Rechtsextremismus-Expertin der Grünen, Monika Lazar. Schröders Forderungen hält sie für übertrieben: Gewalt von links sei zwar auch ein Problem. "Außerhalb von Metropolen wie Berlin und Hamburg kommt links motivierte Gewalt aber praktisch nicht vor", meint Lazar. Rechtsextremismus sei gefährlicher. Schröders Forderungen hätten im Beirat wenig Anklang gefunden. Außerdem hätten sich trotz umfangreicher Suche bisher keine "seriösen zivilgesellschaftlichen Projekte" gegen Linksextremismus finden lassen, die man hätte fördern können, so die Grünen-Politikerin.

Jeder Gefährdung der Demokratie gleich begegnen

Der Gründer der Neonazi-Aussteigerinitiative "Exit", Bernd Wagner, ist dagegen ein Anhänger von Schröders Vorschlägen gegen Linksextremismus: "Was mit brennenden Autos anfängt, endet in Rechtlosigkeit und revolutionärer Gewalt, die die Menschenwürde mit Füßen tritt". Auch Wagner ist Beirats-Mitglied, seine Initiative "Exit" ist im Bündnis-Netzwerk. Manche Beiratsmitglieder hätten gesagt, das Problem Linksextremismus gebe es nicht oder sei nicht relevant. Wagner sieht das anders, auch wenn er hinzufügt, dass Rechtsextremismus nach wie vor das größte Problem darstelle.

Er fordert anlässlich des zehnten Geburtstags des Bündnisses, dass es seinem Namen gerecht wird: "Es gibt Gefährdungen für die Demokratie, und man sollte sich nicht aus politischen oder ideologischen Gründen Scheuklappen verordnen", fordert Wagner. Insgesamt fällt seine Bilanz jedoch positiv aus: Das Bündnis habe viele wichtige Initiativen unterstützt.

epd