Die Besucher, egal ob jung oder alt, Cyber-Goth oder Mittelalter-Freund, loben die einzigartige Atmosphäre des weltgrößten Szene-Treffens. Die Nachrichtenagentur dpa hat Gäste gefragt, warum sie zum WGT gekommen sind.
"Wir Gothics sind einfach eine große Familie. Wir sind freundlich zueinander", sagt Angie Kaufer (27) aus München. Sie und ihr Begleiter Daniel Weber (28) laufen im Piraten-Look mit Totenkopf- Dress und Dreispitz über das Hauptfestivalgelände im Süden der Stadt. Zum siebten Mal sei sie schon beim WGT dabei, sagt Angie. Die Musik - dieses Jahr treten fast 200 Künstler an 40 Veranstaltungsorten bei dem viertägigen WGT auf - und die Gelegenheit, Leute kennenzulernen, zögen sie an. "Alle Jahre wieder. Es ist einfach so toll hier!"
"Ich gehe hierher, um Leute zu treffen", sagt eine 21-Jährige aus Heidelberg, die sich "Schneeweißchen" nennt. Sie trägt ein schwarzes, märchenhaftes Fantasie-Kostüm mit opulentem Rock, Korsage und schwarzer Halskrause. "Ein bisschen aristokratisch" solle das aussehen und "individuell". Wäre nicht das Geweih als Kopfschmuck, könnte man das Ganze auf dem erstem Blick als viktorianische Robe sehen. Was "Schneeweißchen" im echten Leben sonst so macht? Sie schlägt kurz die Augen nieder und hüstelt: "Ich werde Beamtin."
Cyber-Goths und viktorianische Nasenringe
Vergleichsweise poppig und bunt kommt Julia Wilstermann aus Haale/Saale daher. "Ich bin Cyber-Goth", sagt die 19-Jährige. Sie trägt einen lila-pink-schwarzen Streifen-Look, hohe schwarze Plateau-Stiefel, in der Strumpfhose sind Löcher. Auch Julia ist nicht zum ersten Mal auf dem WGT. "Ich mag das Treffen, die Leute, die Partys", sagt sie. Wie die allermeisten lässt sie sich bereitwillig fotografieren. Sehen und gesehen werden ist angesagt auf dem Treffen.
Viele Gäste kommen auch aus dem Ausland, auf dem Festival-Gelände sind alle möglichen Sprachen zu hören. Anna Sanojca (19) ist aus Krakau in Polen nach Leipzig gekommen, zum zweiten Mal. "Ich mag das Treffen unheimlich gerne. Ich denke, die Gothic-Kultur braucht einen Platz wie diesen, um sich zu treffen." In Polen gebe es eher kleinere Veranstaltungen. Sanojca ist auch aufwendig kostümiert, "viktorianischer Stil", sagt sie, gemixt mit Punk-Elementen wie ihrem Nasenring.
Mittelaltermärkte, Friedhofsführungen und ein heidnisches Dorf
Eine Attraktion auf dem Treffen ist auch Tillmann Siebott aus Wuppertal. Der 40-Jährige ist mit einem echten, 7,10 Meter langen Leichenwagen angereist. "Ich habe ihn in Kanada für 1.000 Dollar gekauft", erzählt er stolz. Auf der Tasche seines schwarzen Hemdes steht zwar "Bestattungsunternehmen", aber er sei eigentlich Außendienstler, sagt Siebott. Er sei wegen der Musik da. Wie er die Atmosphäre auf dem WGT findet? "Ehrliche Antwort?", fragt er zurück. "Heftig. Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele sind. Wenn man das brutal ausdrückt, ist es das Oktoberfest der Schwarzen."
WGT-Sprecher Brach sagt, das Treffen, zu dem auch Mittelaltermärkte, Friedhofsführungen und ein heidnisches Dorf gehören, habe inzwischen eine "kritische Größe" erreicht. Weiter wachsen solle es eigentlich nicht. "Wir könnten zwar leicht ein paar tausend Besucher mehr haben, indem wir einfach noch ein paar sehr bekannte Bands auftreten lassen." Das sei aber nicht Sinn der Sache. Die unvergleichliche Atmosphäre des "Familientreffens" solle erhalten bleiben, wenn im nächsten Jahr der 20. Geburtstag des Wave-Gotik-Treffens gefeiert wird.
Szenegottesdienste zum Thema "Leben"
Beim WGT stehen am Pfingstsonntag auch wieder zwei Gottesdienste auf dem Programm. Die Gottesdienste in der neogotischen Peterskirche seien ein Angebot, den christlichen Glauben "aus erster Hand" kennenzulernen, und zugleich ein Zeichen gegen das Klischee, dass die Anhänger der Szene mit Satanisten gleichzusetzen sind, teilte der Freundeskreis "Gothic Christ" am Freitag in Leipzig mit. Christlicher Glaube und "schwarze Kultur" schlössen sich nicht automatisch aus.
Die beiden Gottesdienste, die nun bereits zum sechsten Mal von Laien gestaltet werden, stehen den in diesem Jahr unter dem Thema "Leben. Zwischen Anfang und Ende". Die neugotische Peterskirche biete dabei jene zeitlose Atmosphäre, die Gotikfans liebten, hieß es. In den vergangenen Jahren seien etwa 600 Menschen zu den Veranstaltungen am Pfingstsonntag gekommen.