Die Kraft des Gottesgeistes, Grenzen zu überwinden
Das Pfingstwunder brach durch das Sprachgewirr und brachte die Botschaft des Evangeliums allen, ungeachtet ihrer Muttersprache. Es sind Grenzen, die uns hier im Alltag täglich begegnen. Pastorin Anabel Cantú Flores Reimann stammt aus Mexiko, und ihr zweisprachiger Alltag zeigt ihr immer wieder, wie oft diese Grenzen deutlich gezogen sind.
23.05.2010
Von Anabel Cantú Flores Reimann

Eine junge attraktive Frau mit dunkler Hautfarbe - eine Ausländerin oder vielleicht eine "Deutsche mit Migrationshintergrund" - zeigt auf einem Plakat frech ihre Zunge, die in den Farben Scharz-Rot-Gelb bemalt ist und fordert mit dem Wortspiel "Raus mit der Sprache" dazu auf, Deutsch zu lernen. Mir persönlich – ich bin durch Einbürgerung Deutsche geworden – gefällt diese Kampagne gut, sie zeigt einerseits, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, betont aber andererseits, dass wir noch viel tun müssen, damit wir sprachlich auch zueinander finden. Für mich ist allerdings Deutsch lernen keine Einbahnstraße.

Sprachen zu lernen und sich in anderen Kulturen zurechtzufinden und zu verständigen ist eine Erfahrung, die ich mit dem Pfingstfest verbinde, denn der biblische Bericht vom ersten Pfingstfest macht es ganz deutlich, Menschen verstehen einander, obwohl sie unterschiedliche Muttersprachen sprechen und aus verschiedenen Ländern respektive Kulturen kommen.

Wer in einer anderen Sprache spricht, erntet Misstrauen

Leider sieht es im Alltag oft anders aus, die Verständigung über kulturelle Grenzen hinaus gelingt nicht immer, das Andere wird als Fremdes ausgegrenzt. Ich ernte kritische Blicke, wenn ich in einem Café mich mit meinen Freundinnen auf Spanisch oder Portugiesich unterhalte. Warum stört unsere Mischung aus Spanisch und Portugiesisch – Portoñol – die Ohren der anderen Café-Besucher?

Was ich hier in Deutschland erlebt habe, kenne ich auch unter anderem Vorzeichen aus meiner Heimat Mexiko. Die Sprachen, das Aussehen, der Geruch, das Gelächter der "Fremden" stört, fremd war hier aber die Indio-Frau in der mexikanischen Mehrheitsgesellschaft. Ich erinnere mich noch gut an Juanita, unser Kindermädchen, deren Muttersprache Náhuatl war. Sie war eine zweite Mutter für mich, aber von ihrer Sprache habe ich nichts mitgenommen außer einem Tischgebet "Tata, Tascamati titacuaque." Es schickte sich einfach nicht, die Sprache der Indios zu lernen. Und man misstraute ihnen, denn was die schweigenden Hausangestellten wirklich im Herzen in ihrer eigenen Sprache dachten, erfuhr man nie. Spanisch ist damals und heute die Sprache der Macht in Mexiko.

Hier erlebe ich Ähnliches, aber anders herum. Vor ein paar Wochen haben sich die Kinder meiner anderen chilenischen Freundin geschämt, als ihre Mutter auf Spanisch mit ihnen redete. Ich frage mich, was meine Kinder denken, wenn ich sie mit einem "¡Hola!,¿Cómo estás?" von der Schule abhole.

Die Kraft Gottes, Grenzen zwischen Menschen zu überwinden

Das Wunder von Pfingsten ist eine hoffnungsvolle Botschaft für unsere globalisierte, "mehrsprachige" Welt. Die Angst vor der Fremde kann sich auch in einen Schlüssel zum Öffnen neuer Türen und neuer Welten verwandeln. Die Pfingstgeschichte aus der Apostelgeschichte des Lukas bleibt nicht einfach beim Bericht stehen, dass die ungebildeten Jünger auf einmal mehrere fremde Sprachen sprechen konnten, die sie früher nicht gelernt hatten.

Ausführlich wird zunächst berichtet, woher die Menschen zum jüdischen Weizenerntenfestes gekommen waren: "Parther und Meder und Elamiter und die, die (…) wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Lybien und Auswanderer aus Rom. Juden und Judengenossen, Kreter und Araber." Jeder von ihnen hört dann die Jünger "seine eigene Müttersprache" sprechen und kann sie verstehen.

Das Wiedererkennen und Verständnis der eigenen Sprache mit der befreienden Botschaft des Evangeliums in der Fremde ist der Höhepunkt der Pfingstgeschichte. Auch – oder gerade in der Fremde – gibt der Gottesgeist Kraft dazu, Sprachgrenzen und kulturelle Grenzen zu überwinden. "Jehová es mi pastor y nada me faltará, aún en Alemania": "Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln, auch nicht in Deutschland."


Anabel Cantú Flores Reimann kommt ursprünglich aus Mexiko und arbeitet als Theologin in einer spanischsprachigen Gemeinde in Duisburg mit.