HalbZeit: Der Traum endet in der siebten Liga
Tausende Jugendliche hoffen auf eine Karriere als Fußballstar – die wenigsten schaffen es. Der Film "HalbZeit" erzählt, was mit fünf jungen Leuten passiert ist, die alles in ihren Traum investiert haben.
22.05.2010
Von Andreas Block

Entspannt sitzt er da unterm Fenster. Draußen zwitschern die Vögel, der Rasen am Nuffield College der Universität Oxford ist akkurat gemäht. Heiko Hesse hat das Jackett abgelegt und plaudert über seine Zukunft. Er sagt: "Das hat nichts mit Arroganz zu tun. Aber ich möchte schon einen Job finden, in dem man Macht hat."

Hesse hat gerade seinen Master an der wohl berühmtesten Uni der Welt gemacht. Ihm steht die Welt offen, er könnte überall arbeiten. Er entscheidet sich für Washington, zwei Blocks vom Weißen Haus entfernt. Heiko Hesse geht zur Weltbank.

Währenddessen zieht der Fußballspieler Francis Bugri wieder bei seinen Eltern ein. Es hat mal wieder nicht geklappt, er ist verletzt, hat zurzeit keinen Verein. Er sagt: "Mal sehen, wie es weitergeht."

Sichtbar machen, wie Träume aufgehen oder stranden

Francis Bugri und Heiko Hesse waren mal Mannschaftskameraden, in den Neunzigern gehörten sie einem der besten Nachwuchsjahrgänge an, die je für Borussia Dortmund gespielt hat. Sie gewannen Jugendmeisterschaften, Francis Bugri wurde sogar in die Nationalmannschaft berufen. Er wollte Profi-Fußballer werden, genau wie Heiko Hesse, Mohammed Abdulai, Florian Kringe und Claudio Chavarria.

Diese Nachwuchsspieler hat der Dokumentarfilmer Christoph Hübner seit 1998 immer wieder begleitet. "Die Champions" hieß seine erste Kino-Doku über Bugri, Hesse und deren Mitspieler. In "HalbZeit" (Kinostart 27. Mai) zeigt er, was aus den hoffnungsvollen Talenten geworden ist. "Ich wollte sichtbar machen, wie Träume in der Realität aufgehen – oder stranden", sagt Hübner.

Die größte Leistung des Films ist, dass es ihn überhaupt gibt. Dass Hübner es geschafft hat, Vertrauen zu fünf jungen Männer aufzubauen, die ihn im Fitnessraum, beim Wohnungsumzug und auf der Geburtstagsfeier haben drehen lassen. Das ist ungewöhnlich in einer Welt, in der Fußballer auf Sätze programmiert sind wie: "Wir müssen von Spiel zu Spiel schauen und immer 110 Prozent geben."

Von "nichts gewonnen" bis "siebte Liga"

Nur einer der fünf Protagonisten von "HalbZeit" hat es tatsächlich ganz nach oben, in die deutsche Bundesliga geschafft: Florian Kringe. Er hat allein für Borussia Dortmund 150 Bundesliga-Spiele absolviert. Und selbst bei ihm arbeitet Hübner Selbstzweifel heraus. "Eigentlich", sagt Kringe im Film, "habe ich noch nichts gewonnen." Er meint: Für die Nationalmannschaft hat es bei ihm nie gereicht. Als Kringe, mittlerweile 27 Jahre alt, nach einem verloren Spiel zu den Fans an den Stadionzaun geht, fliegen ihm Bierbecher um die Ohren.

Francis Bugri würde wohl trotzdem sofort mit ihm tauschen. Das Portrait von Bugri ist das eindrücklichste des Films. Selten blitzt für Sekunden ein Lächeln bei ihm auf, wie zum Selbstschutz, ansonsten blickt der Zuschauer in große, dunkle, traurige Augen. In seinem Kinderzimmer im Elternhaus hängen Trikots der Junioren-Nationalmannschaft an der Wand, er hat gegen Spieler wie Iker Casillas gespielt. Der steht heute bei Real Madrid im Tor, Bugri hat sich in der siebten Liga bei TuS Eving-Lindenhorst angemeldet.

"Irgendwas mit Fußball machen"

Woran liegt es, wenn ein Talent wie Francis Bugri scheitert, sich seinen Traum nicht erfüllen kann? Am Körper? Vielleicht, Bugri war ständig verletzt. Am Charakter? Vielleicht auch. Seine Mutter sagt: "Francis ist einfach zu lieb." Und bei seinem Trainer Marc Fascher klingt das ähnlich: "Er könnte ein guter Fußballer sein – aber er müsste robuster sein, um sich durchzusetzen."

Durchgesetzt hat sich Weltbanker Heiko Hesse, wenn auch auf einem ganz anderen Gebiet. Und ein bisschen eifert Francis Bugri ihm nun nach. Er hat ein Fernstudium aufgenommen, Sportmanagement. In einer der letzten Filmszenen sieht man ihn lernend an seinem Schreibtisch. Bugri sagt: "Vielleicht kann ich ja doch noch irgendwas mit Fußball machen."


Andreas Block ist freier Autor.