Hände hoch, wir zahlen - Bundestag rettet Euro
Der Bundestag hat den deutschen Anteil am 750-Milliarden-Rettungspaket für den Euro gebilligt. Die schwarz-gelbe Koalition konnte die Kreditgarantien aber nur knapp mit der eigenen Mehrheit durchsetzen. Am Nachmittag stimmte auch der Bundesrat zu. Unterdessen findet das Krisenmanagement von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) immer weniger Befürworter. Laut einer Umfrage verliert sie deutlich an Ansehen.

Für das Gesetz zur Euro-Stabilisierung stimmten am Freitag in turbulenter Sitzung 319 Abgeordnete. Es gab 73 Nein-Stimmen, 195 Parlamentarier enthielten sich. Die sogenannte Kanzlermehrheit liegt bei 312 Stimmen. Die Koalition aus CDU, CSU und FDP verfügt über 332 Mandate im Parlament. Abgestimmt hatten 587 Abgeordnete. Mit dem Gesetz sind Kreditgarantien von bis zu 148 Milliarden Euro verbunden.

SPD und Grüne hatten angekündigt, sich enthalten zu wollen, die Linke ist gegen die Nothilfen. Daher war eine knappe Entscheidung erwartet worden, da es auch in den Koalitionsreihen etliche Kritiker gibt. Der Bundesrat gab am Nachmittag den Weg für die Kreditgarantien frei. Die Länderkammer schaltete nicht den Vermittlungsausschuss ein. Nun muss noch Bundespräsident Horst Köhler das umstrittene Gesetz unterzeichnen. Erst vor zwei Wochen hatte der Bundestag den deutschen Anteil von bis zu 22,4 Milliarden Euro an dem Griechenland-Rettungspaket gebilligt.

"Unter Druck durchgepeitscht"

Die Opposition warf der Koalition vor, dass ein gigantisches Hilfspaket unter Druck durchgepeitscht werden solle. SPD, Grüne und Linke kritisierten, dass die Auswirkungen und die genaue Ausgestaltung der Euro-Notkredite offen seien. Der Vertrag über die geplante Zweckgesellschaft für die Hilfskredite liege noch nicht vor. Die SPD hatte zudem gefordert, dass Schritte zur Finanzmarktregulierung schwarz auf weiß vorliegen und der Bundestag diese konkret beschließt. Merkel hatte zugesagt, sich für mehr Regulierung und eine Finanztransaktionssteuer einsetzen zu wollen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Merkel taktische Spielchen vor, die auch die EU-Partner satt hätten. Daher habe sich die Kanzlerin blamiert und sei vorgeführt worden beim Rettungspaket. Deutschland müsse bei Finanzmarkt-Regeln vorangehen: "Sie waren nur so lange eine mutige Kanzlerin, wie Sie von Sozialdemokraten bewacht wurden." Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wies die Vorwürfe zurück. "Wir befinden uns auf einer einwandfreien rechtlichen Grundlage." Das Eilverfahren begründete er mit der Entwicklung an den Märkten. Schäuble sieht weiter Hürden für eine globale Transaktionssteuer. "Die Frage, geht es global, wird sehr skeptisch von vielen beurteilt."

Westerwelle: Historische Entscheidung

Wenn es beim Gipfel der G20-Staaten im Juni unmöglich sei, müsse eine solche Steuer EU-weit geprüft werden, so Schäuble weiter. "Dann wird es in Europa eine ganz zentrale Frage sein: Geht eine solche Steuer nur unter Einschluss des größten Finanzplatzes London?" Notfalls müsse es im Euro-Raum versucht werden. "Ob wir dafür eine Mehrheit im Euro-Bereich bekommen, kann ich Ihnen heute nicht versprechen." FDP-Chef Guido Westerwelle sprach von einer historischen Entscheidung. Der Außenminister warf der Opposition vorgeschobene Argumente vor, um innenpolitisch mit der Regierung abzurechnen. "Es geht aber darum, ob Europa stehen oder fallen soll." Der Wohlstand der Deutschen hänge an der europäischen Stabilität.

SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann kritisierte, der Bundestag sei kein "Abnick-Parlament". Ähnlich äußerte sich Dagmar Enkelmann (Linke). Nach den Worten von Fritz Kuhn (Grüne) ging die Regierung im Zusammenhang mit den Kreditgarantien so schäbig mit dem Parlament um, wie er es noch nie erlebt habe. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi warf Merkel vor, sie werde von Märkten getrieben. "Sie müssen doch merken, dass sie jetzt am Nasenring durch die Manege geführt werden."

Im Rahmen des Rettungspakets können als erste Notfall-Hilfen 60 Milliarden Euro der EU-Kommission sofort fließen. Reicht das Geld nicht, leisten die Euro-Staaten Kreditgarantien von bis zu 440 Milliarden Euro. Dazu wird eine Zweckgesellschaft gegründet, die Kapital aufnehmen und Kredite an bedrohte Länder weiterreichen soll. Dritter Teil des Rettungsschirms sind Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) von bis zu 250 Milliarden Euro.

FDP in der politischen Stimmung bei drei Prozent

Vor dem Hintergrund der Finanzkrise verlor Merkel im ZDF-Politbarometer deutlich an Ansehen. Auf der Liste der zehn wichtigsten Politiker rutschte sie seit April von 1,8 auf 1,3 Punkte ab, ergab die am Freitag in Mainz veröffentlichte Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen. 54 Prozent der Befragten meinten, Merkel gebe zu wenig den Kurs in der Bundesregierung vor, 39 Prozent sahen dies nicht so.

Auch die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP verloren in der politischen Stimmung jeweils drei Punkte. Die Union kommt nun auf 38, die FDP auf nur noch drei Prozent. SPD, Grüne und die Linke legten jeweils zwei Punkte zu und erreichten 29, 15 und elf Prozent. Bei der Sonntagsfrage erhielten CDU/CSU 36 Prozent (minus 2), die SPD 27 Prozent (plus 1), die FDP käme auf sechs Prozent (minus 2). Linke und Grüne legten jeweils einen Punkt zu und erreichten elf beziehungsweise 14 Prozent.

dpa