Dass sich ein Ratgeberthema kaum zur Kontroverse eignet, war allen Beteiligten gleich klar. "Eine besondere Sendung" versprach der sonst so konfrontative Frank Plasberg denn auch zu Beginn und wünschte sich, die Zuschauer könnten am Ende bilanzieren: "Ich blicke jetzt ein bisschen besser durch, was die Euro-Krise mit meinem Leben macht." Das hätte misstrauisch machen müssen, denn durch eine solch große Brille ging der Blick fürs Detail leider verloren.
"Wie sicher ist mein Geld auf der Bank?", fragte ein Einspielfilm – das interessiert die Mehrheit der Bundesbürger. Konkrete Aussagen dazu scheute die Runde aber wie der Banker den Bettler. Was Plasberg offenbar ahnte, und so blieb er allein mit seinem hohen aufklärerischen Anspruch und einer gemütlichen Gästeschar: Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen Uni Hohenheim, Ernst Elitz, Ex-Intendant des Deutschlandradios (und evangelisch.de-Kolumnist), die n-tv-Börsenexpertin Carola Ferstl, Walter Riester, Arbeits- und Sozialminister der ersten Schröder-Jahre und Hermann-Josef Tenhagen, Chef der Zeitschrift "Finanztest".
Sorge ums Gemeinwohl?
Vom Finanzredakteur wurde tatsächlich erwartet zu erklären, "warum Panik nie ein guter Ratgeber ist". Aber hat das je irgendwer behauptet? An alle ging die ebenfalls wenig originelle Frage, wie sie selbst ihr Geld angelegt haben, und wie üblich im öffentlichen Raum gab sich jeder Einzelne besonnen bis konservativ. Lediglich der Professor beteuerte, er habe schlicht "keine Zeit mehr, mir über diese Fragen den Kopf zu zerbrechen" – eigentlich ein Grund für ihn, auf der Stelle das Studio zu verlassen.
Vielleicht war es die Sorge ums Gemeinwohl, die den Mann hielt. "Der Euro steht unter Druck, und dieser Druck überträgt sich auf die Menschen", orakelte Hausherr Plasberg weiter und kündigte gleich fünf Gesprächsthemen an: "Immobilien, Altersvorsorge, Rohstoffe, Wertpapiere, Schulden".
Auch das aber nur leere Worte. Statt Druck abbauen zu helfen, verbreitete der trotz des existenziell verängstigenden Themas erstaunlich gut gelaunte Moderator erst mal jede Menge Geplänkel, der Maxime "Zeit ist Geld" Hohn sprechend: Den einen Experten fragte er, wozu er erfahrungsgemäß verlässlicher raten könne – etwas zu tun oder etwas zu lassen -, an die einzige Expertin richtete er das Auskunftsbegehren, ob denn Männer oder doch Frauen die besseren Anleger seien (natürlich die Frauen). Das wiederum fand Widerspruch, und so vergingen wertvolle Minuten, bis die erste Frage gestellt wurde, deren Antwort unter Umständen einen Zuschauer interessieren könnte: Wer muss sich um die finanzielle Zukunft mehr Sorgen machen, die Jungen oder die Alten?
Große Brötchen
Die Jungen müssten, die Alten tun’s, sprach der Professor sinngemäß; das wars. Und so ging es munter weiter im Ton der Feierabend-Philosophen. Wie viel Vertrauen der Euro brauche. Was man denen sage, die die D-Mark wiederhaben wollen? (Elitz: "Ich verstehe sie.") Und ob man eines Tages nostalgisch auf den Euro zurückblicken werde - eine für die allermeisten Europäer erst noch zu entdeckende Sorge ihres Alltagslebens.
Plasberg mühte sich erkennbar, große Brötchen zu backen. "Herr Riester, geben Ihre ehemaligen Kollegen zu, dass sie sich ohnmächtig fühlen?", fragte er den 66-Jährigen. Der offenbarte Überraschendes: "Manchmal wünsche ich mir das." Derweil fühlte sich der Zuschauer gegenüber dem moderaten Moderator mindestens so ohnmächtig wie gegenüber der allgegenwärtigen Finanzkrise.
Wie es zum Thema Geld auch anders geht, zeigen etliche nicht selten gut gemachte Verbrauchersendungen bei der ARD und anderswo. Fürs rein Informative scheint Plasberg hingegen nicht der richtige Mann zu sein. Seine unangenehm-arrogante Fertigkeit, die Gäste mit schwammigen Fragen an der langen Leine laufenzulassen, um sie dann genau dafür zu maßregeln, entfaltete er an diesem Abend zu neuer Blüte: Es sei ja "interessant, Ihnen zuzuhören", aber es gehe doch heute konkret um Zuschauerängste, maßregelte er die Fünf. Um prompt das Thema des Abends selbst weiter zu verwässern.
Tipp: "Vermögen streuen"
Dass man eine Lebensversicherung nicht kündigen soll, weil das teuer kommt, lieferte nur mäßigen Erkenntniswert. Ebenso Professor Burghofs Weisheit, "Aktionismus ist Unsinn" nebst seinem Rat: Vermögen breit anzulegen. Wer ein Vermögen anzulegen hat, schaute nämlich mit Sicherheit nicht diese Sendung.
Die eigentlich die Chance gehabt hätte, Otto Normalsparer anzusprechen. Sachverstand war vorhanden: Der wie üblich mit silberhaariger Souveränität auftretende Ernst Elitz etwa stellte in Ruhe die richtigen politischen Forderungen nach stärkerer Brüsseler Kontrolle der Länderhaushalte, und Tenhagen konnte beispielsweise bündig erklären, wieso es "sehr, sehr, sehr vernünftig" sei, möglichst kein Euro-Land pleitegehen zu lassen. Er war es auch, der mit dem goldenen Investment-Rat glänzte, sich eine Solaranlage auf dem eigenen Dach anzuschaffen, so vorhanden: Der beachtliche Gewinn durch die Stromersparnis ist nämlich jahrzehntelang garantiert.
Aber zwischen all den Minifilm-Schlenkern zur Hyper-Inflation von 1923, der Deflationsgefahr nach japanischem Vorbild und den internationalen Rohstoffpreisen blieben handfeste Tipps rar wie der, Gold eigne sich bestenfalls zur Teil-Absicherung, aber nicht zur Spekulation in der Hoffnung auf Rendite. "Wie hoch die Rendite am Ende sein wird, ist schwer abzuschätzen", hieß es an einer Stelle. Na dann: danke, dass wir drüber geredet haben.
Am Ende nur Verunsicherung
Walter Riester warb - völlig überraschend - für die Riester-Rente, die gleich drei Punkte "am optimalsten" umsetze. Das passte. "Riester", definiert das Internet-Lexikon, "ist ein Begriff des Schuhmachers und bezeichnet einen Flicken aus Leder, mit dem bei der Stiefelreparatur eine schadhafte Stelle am Oberleder beseitigt oder überdeckt wird." Im Fernsehen an diesem Abend dieselbe Flickschusterei wie in der Politik: die optimalste Sendung zur Krise.
Der wacker durchhaltende Zuschauer blieb verunsichert zurück. Klüger sein zu wollen als der Markt, solle sich kein Privatanleger anmaßen, mahnte der Professor. Wie wäre es stattdessen mit einem Abonnement von "Finanztest"? Dort wird sauber recherchiert, und man kann alles in Ruhe nachlesen. Falls nötig, sogar noch länger als 75 Minuten.
Thomas Östreicher ist freier Journalist in Hamburg und Frankfurt.