Die Spannungen zwischen Süd- und Nordkorea spitzen sich wegen des Untergangs eines südkoreanischen Kriegsschiffs weiter zu. Fast acht Wochen nach der Tragödie mit 46 Toten kam ein internationales Ermittlerteam am Donnerstag zu dem Schluss, dass Nordkorea die 1.200-Tonnen-Korvette nahe der innerkoreanischen Seegrenze mit einem Torpedo beschossen und versenkt habe. Südkoreas Präsident Lee Myung Bak warf Nordkorea "militärische Provokation" vor und kündigte resolute Schritte gegen das kommunistische Nachbarland an. Nordkorea drohte für den Fall von Sanktionen oder Vergeltungsaktionen mit "harten Maßnahmen, bis zum totalen Krieg".
Obama spricht von "Akt der Aggression"
US-Präsident Barack Obama machte ebenfalls Nordkorea für den Untergang der "Cheonan" im Gelben Meer verantwortlich und warf dem Land "inakzeptables Verhalten" vor. Ein Sprecher des Weißen Hauses teilte mit, Obama habe den "Akt der Aggression", der zum Untergang geführt habe, "scharf verurteilt". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich höchst beunruhigt über die Untersuchungsergebnisse. Seoul hatte angedeutet, den Fall um die "Cheonan" vor den Weltsicherheitsrat bringen zu wollen. Für eine Verurteilung oder weitere Sanktionen gegen Pjöngjang durch den Rat wäre es laut Beobachtern wichtig, China von der Schuld Nordkoreas an dem Untergang zu überzeugen.
Es gebe "überwältigende Beweise für den Schluss", dass ein U-Boot aus Nordkorea den Torpedo abgefeuert habe, teilte das zivil-militärische Ermittlerteam in Seoul mit. "Es gibt keine andere glaubwürdige Erklärung." Zu dem Ergebnis seien sie durch die Analyse der Bruchstellen am Wrack der "Cheonan" und der am Unglücksort vor der Westküste Südkoreas gesammelten Trümmerteile gekommen.
Unter anderem hieß es, dass geborgene Teile eines Torpedos einem vor Jahren gefundenem Torpedo-Irrläufer aus Nordkorea glichen. Auch gebe es Hinweise dafür, dass sich kleine nordkoreanische U-Boote zum Zeitpunkt des Unglücks in der Nähe der Untergangsstelle aufgehalten hätten. An den Ermittlungen waren neben Südkoreanern auch Experten aus den USA, Australien, Großbritannien und Schweden beteiligt.
Nordkorea bestreitet Vorwurf
Durch internationale Zusammenarbeit wolle Südkorea das Regime in Pjöngjang dazu bringen, "seine Missetaten einzugestehen" und in verantwortlicher Weise in die internationale Gemeinschaft zurückzukehren, sagte Staatspräsident Lee in einem Telefonat mit dem australischen Regierungschef Kevin Rudd. Lee wolle an diesem Freitag in Seoul den Nationalen Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung einberufen, um Gegenmaßnahmen zu erörtern.
Nordkorea bestritt erneut, das Schiff versenkt zu haben. Ein Sprecher der Nationalen Verteidigungskommission - das mächtigste Gremium des Landes - unterstellte Seoul, die Untersuchungsbefunde fingiert zu haben. Zugleich habe die Kommission im staatlichen Fernsehen angeboten, ein eigenes Ermittlungsteam zu schicken, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap.
An der umstrittenen Seegrenze im Gelben Meer ist es bereits wiederholt zu Gefechten zwischen Schiffen beider Länder gekommen. Beide koreanischen Staaten befinden sich völkerrechtlich noch im Kriegszustand, da seit dem Ende des Korea-Kriegs (1950-53) noch kein Friedensvertrag geschlossen worden ist.