Die Finanzaufsicht BaFin hat hoch spekulative Wetten von Investoren auf fallende Kurse von Staatstiteln der Euro-Zone verboten. Wie die Bafin am Dienstagabend in Bonn mitteilte, werden "ungedeckte Leerverkäufe" von Anleihen von Staaten der Eurozone mit Wirkung bereits ab Mitternacht bis zum 31. März 2011 untersagt. Verboten seien auch Leerverkäufe von Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps - CDS) auf Anleihen aus der Eurozone. Griechenland hatte vor allem Spekulanten, die auf diese riskanten Finanztitel setzen, vorgeworfen, dass sie die Schuldenkrise Athens verstärkt und von der Panikwelle profitiert hätten. Auch die Euro-Krise sei dadurch geschürt worden.
BaFin: "Stabilität des gesamten Finanzsystem gefährdet"
Die Bafin begründete ihre Maßnahmen mit den außergewöhnlichen Schwankungen bei Schuldtiteln von Staaten der Eurozone. Zudem hätten sich die Risikoaufschläge bei Kreditausfallversicherungen mehrerer Staaten der Eurozone erheblich ausgeweitet. Dies habe die Stabilität des gesamten Finanzsystem gefährdet.
Die Bafin hat in das Verbot auch die Aktien von 10 Unternehmen der deutschen Finanzbranche einbezogen. Betroffen sind die Aareal Bank, Allianz, Commerzbank, Deutsche Bank, Deutsche Börse, Deutsche Postbank, Generali Deutschland, Hannover Rück, MLP AG und die Münchener Rückversicherung.
Bei "Leerverkäufen" verkaufen Anleger, die auf fallende Kurse setzen, Titel, die sie zu dem Zeitpunkt nicht besitzen, von vornherein mit der Absicht, sie später zu einem niedrigeren Kurs zurückzukaufen und so Gewinne einzustreichen. Bei "gedeckten Leerverkäufen" leihen sich Investoren die zu verkaufenden Aktien. Bei "ungedeckten Leerverkäufen" dagegen decken sie sich nicht mit Aktien ein, sondern verkaufen Aktien, ohne sie überhaupt ausgeliehen zu haben. Solche "ungedeckten Leerverkäufe" können die Kurse besonders heftig zum Wanken bringen.
2008 bereits vorübergehendes Verbot
Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Herbst 2008 hatten mehrere Aufsichtsbehörden weltweit mit befristeten Notverfügungen "ungedeckte Leerverkäufe" untersagt, um dem Abwärtsstrudel der Kurse zu begegnen. In Deutschland waren diese nach einem eineinhalbjährigen Verbot aber seit Anfang Februar wieder erlaubt.
Die Bafin will die neu ausgesprochenen Verbote laufend überprüfen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte das Verbot am Dienstag in der Unionsfraktion angekündigt, wie aus Teilnehmerkreisen verlautete. Das Verbot soll im Wege einer Allgemeinverfügung umgesetzt werden.
Stärkere Regulierung und Euro belasten US-Börsen
Sorgen um eine stärkere Regulierung der internationalen Finanzmärkte und der schwache Euro haben die US-Börsen am Dienstag tief ins Minus gedrückt. Die Entscheidung der deutschen Finanzaufsicht BaFin, bestimmte Wetten auf Aktien und Staatsanleihen zu verbieten, habe das Vertrauen der Investoren wieder gestört, sagte ein Börsianer. In Reaktion auf das Vorgehen der BaFin markierte der Euro ein neues Vierjahrestief und zog die Aktienmärkte mit. Auch in den USA wird über eine stärkere Regulierung diskutiert.
Der Dow Jones Industrial Average rutschte um 1,08 Prozent auf 10 510,95 Punkte ab. Im frühen Handel war der Leitindex noch um bis zu 0,88 Prozent auf 10 718 Punkte gestiegen. Der breiter gefasste S&P-500-Index ging mit einem Abschlag von 1,42 Prozent bei 1120,80 Punkten aus dem Handel. An der technologielastigen Nasdaq fiel der Composite-Index um 1,57 Prozent auf 2317,26 Punkte, der Auswahlindex Nasdaq 100 verlor 1,48 Prozent auf 1887,06 Punkte.
Finanzwerte litten laut Händlern besonders stark unter den Sorgen um einen stärkeren Eingriff der Politik in die Finanzmärkte. Tagesverlierer im Dow Jones waren die Aktien von American Express mit minus 3,35 Prozent auf 39,84 US-Dollar, Bank of America büßten 2,51 Prozent auf 15,94 Dollar ein. Einige Technologietitel zählten ebenfalls zu den großen Verlierern. Händler sprachen von Umschichtungen in einige zuletzt weniger gut gelaufene Aktien beispielsweise von Öl- und Rohstoffkonzernen und verwiesen auch auf die Euro-Schwäche als besonders starke Belastung für den Sektor. So verloren Intel-Aktien im Dow 2,59 Prozent auf 21,45 Dollar, während ExxonMobil-Titel lediglich 0,76 Prozent auf 62,79 Dollar abgaben.
Euro fällt unter 1,22 Dollar
Im Fokus standen auch die Einzelhändler. Aktien von Wal-Mart verteuerten sich nach Zahlen um 1,84 Prozent auf 53,70 Dollar und behaupteten sich damit an der Dow-Spitze als einziger Indexwert im Plus. Beim weltgrößten Einzelhändler brummt das Geschäft vor allem dank des Auslands. Der Gewinn stieg im ersten Geschäftsquartal stärker als erwartet. Börsianer bemängeln allerdings den Ausblick, der etwas pessimistischer ist als die Schätzungen der Wall Street. Die Anteile an der Baumarktkette Home Depot konnten ihre Gewinne in Reaktion auf Zahlen nicht halten und büßten 2,42 Prozent auf 34,73 Dollar ein. Dabei hatte der Konzern die Gewinnschätzungen der Analysten übertroffen und die Gewinn- und Umsatzziele erhöht.
Der Kurs des Euro ist im Handel in New York wieder unter Druck geraten und erstmals seit April 2006 unter die Marke von 1,22 Dollar gefallen. Zuletzt wurden 1,2208 Dollar für einen Euro bezahlt. Die richtungweisende zehnjährige US-Staatsanleihe stieg dagegen um 1 5/32 auf 101 7/32 Punkte. Ihre Rendite fiel auf 3,353 Prozent.
Neue Regeln für amerikanische Börsen
Die US-Börsenaufsicht SEC schlägt als Reaktion auf den dramatischen Kurssturz des Dow Jones am 6. Mai neue Regeln für sämtliche amerikanischen Börsen vor. Nach diesen Regeln wird der Handel von S&P 500-Aktien für fünf Minuten unterbrochen, sobald der Kurs binnen fünf Minuten um 10 Prozent oder mehr fällt oder steigt. Eine solche Pause gibt den Märkten die Gelegenheit, neue Käufer oder Verkäufer anzuziehen, einen "vernünftigen" Marktpreis festzulegen und den Handel «in fairer und ordentlicher Weise» weiterzuführen, heißt es in einer Mitteilung der SEC.
Diese automatische Abschaltfunktion soll vorerst mit einem Pilotprogramm bis 10. Dezember getestet werden; danach entscheiden Behörden und Börsen, ob die Regeln angepasst und noch auf weitere Aktien ausgedehnt werden sollen. Die Aufsichtsbehörde gibt nun allen Beteiligten zehn Tage Zeit, die Maßnahme zu prüfen und zu kommentieren - anschließend startet die Pilotphase.
"Wir glauben weiterhin, dass der Kurssturz von unterschiedlichen und einander widersprechenden Regeln der diversen Börsen verschärft worden ist", sagte SEC-Chefin Mary Schapiro am Dienstag. "Deshalb ist es wichtig, dass alle Börsen sich schnell einig geworden sind, allgemein geltende Schwellen einzubauen, die sich notfalls aktivieren." Sie sei davon überzeugt, dass die nun vorgesehene Maßnahme die Marktvolatilität bedeutend reduzieren werde, erklärte Schapiro. Die SEC prüft auch noch einige andere Maßnahmen und ermittelt weiterhin wegen der genauen Ursachen des "Flash Crashs".