Fünf neue Missbrauchsfälle in hannoverscher Landeskirche
In der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers sind fünf neue Fälle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger aus den vergangenen Jahrzehnten bekannt geworden. Das teilte die Kirche bei der Vorstellung einer Hotline für Missbrauchsopfer mit.

In zwei Fällen richten sich die Vorwürfe gegen einen ehemaligen Lehrer des Internats der Paul-Gerhardt-Schule im südniedersächsischen Dassel, wie Oberlandeskirchenrätin Kerstin Gäfgen-Track am Dienstag vor Journalisten in Hannover erläuterte. Die Fälle hätten sich in den 1960er und 1970er Jahre ereignet und seien damit verjährt.

Zudem wurden drei Fälle von sexuellem Missbrauch in Kirchengemeinden sowie jeweils einer  von gewaltsamer Misshandlung und sexueller Belästigung bekannt. "Wir wollen damit so offen und transparent wie möglich umgehen", so der stellvertretende Landesbischof Hans-Hermann Jantzen.

Jüngster Vorfall im Jahr 1984

In drei Fällen sollen sich in verschiedenen Kirchengemeinden im westlichen Niedersachsen zwei Pastoren und ein Diakon an einem Jungen und an zwei Mädchen sexuell vergangen haben, so Oberlandeskirchenrat Rainer Mainusch. Der jüngste Vorfall habe sich im Jahr 1984 ereignet, die beiden anderen seien älter.

Die Opfer, die heute zwischen 25 und 50 Jahre alt seien, hätten sich im Zuge der Missbrauchsdiskussion bei der Landeskirche gemeldet. Im Falle der Paul-Gerhardt-Schule hatte die Kirche viele ehemalige Schülerinnen und Schüler angeschrieben. "Das Ausmaß ist nicht erschütternd, aber auch kein Ruhekissen", sagte Jantzen: "Jeder Fall ist ein Fall zu viel".

Vertrauliche Gespräche möglich

Bei der Hotline (Telefonnummer 0511/1241-477) stehen nach den Worten des stellvertretenden Landesbischofs täglich von 9 bis 21 Uhr zehn Lebensberater und Sozialpädagogen für vertrauliche Gespräche zur Verfügung. "Wir möchten den Opfern ein niedrigschwelliges Angebot machen, über ihre Erfahrungen zu reden, die oft traumatisierend sind", sagte Jantzen.

Im Dasseler Internat sei in den vergangenen Monaten auch ein Fall von schwerer Misshandlung eines Jungen vor mehr als 30 Jahren bekannt geworden, berichteten Mainusch und Gäfgen-Track. Das Internat befand sich bis 2007 in Trägerschaft der Landeskirche und wird jetzt von einem Verein betrieben. In einer Kirchengemeinde in Westniedersachsen wurde der Fall einer andauernden sexuellen Belästigung einer erwachsenen Frau durch einen Pastor in diesem Jahrzehnt bekannt.

Enge Zusammenarbeit mit Behörden

"Wir gehen jedem Fall nach", betonte Mainusch. Die Kirche arbeite dabei eng mit den Justizbehörden zusammen. Die mutmaßlichen Täter seien heute zum Teil über 80 Jahre alt. Die hannoversche Landeskirche ist mit knapp drei Millionen Mitgliedern zwischen Harz und Nordsee die größte evangelische Landeskirche in Deutschland. Sie umfasst drei Viertel Niedersachsens.

epd