CDU-Atomstreit eskaliert: Mappus für Röttgen-Rücktritt
Der Streit um eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken spaltet die CDU. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus legte seinem Parteikollegen, Bundesumweltminister Norbert Röttgen, den Rücktritt nahe.

In der CDU ist der Streit über längere Atommeiler-Laufzeiten und die Mitwirkung der Länder eskaliert. Baden-Württembergs Regierungschef Stefan Mappus legte Bundesumweltminister Norbert Röttgen am Montag den Rücktritt nahe und forderte Kanzlerin Angela Merkel (alle CDU) auf, Röttgen notfalls zu entlassen. "Ich bin nicht mehr bereit, die Eskapaden des Bundesumweltministers zu akzeptieren", sagte Mappus am Montag in Stuttgart. Röttgen konterte lachend mit dem Hinweis auf einen "klaren" Koalitionsvertrag von Union und FDP, während Mappus scheinbar andere energiepolitische Ziele verfolge. Mit der Bundeskanzlerin habe er noch nicht telefoniert, sagte Röttgen.

Entscheidung im Herbst erwartet

Im aktuellen Streit auch der anderen Parteien geht es um die Frage, ob ein Weiterbetrieb der noch 17 Atomkraftwerke (AKW) nach 2022 die Zustimmungspflicht des Bundesrates erfordert oder nicht. Hintergrund ist, dass die bis zu 28 Jahre längeren Atomlaufzeiten von der schwarz-gelben Koalition im Bund allein leicht durchzusetzen sind, während Union und FDP seit der Landtagswahl in Nordrhein- Westfalen inzwischen im Bundesrat überstimmt werden können.

Mappus und seine Unionsländer-Kollegen in Hessen und Bayern wollen auf die gesetzliche Ländermitwirkung verzichten, Röttgen will sie dagegen "im fairen Umgang mit den Ländern" möglichst erhalten. Er ist in der Frage aber offen - je nach Umfang der nötigen Änderung des Atomgesetzes. Maßgeblich sei, ob es sich wie bei der vom Bund den Ländern aufgetragenen Atomaufsicht um einen "Eingriff" in Verwaltungsakte der Länder und besondere Sicherheitsprüfungen handele. Die hält er bei mehr als acht Jahren Laufzeitverlängerung für erforderlich.

Jedoch hatte Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) am Wochenende bereits erklärt: "Bei der Verlängerung der Laufzeiten werden wir ein verfassungskonformes, zustimmungsfreies Gesetz haben". Die Frage muss nun bis zur Beschließung des geplanten Energiekonzepts im Herbst juristisch geklärt werden. Etliche Länder haben in der Frage der Bundesrats-Mitwirkung eine abwartende Haltung, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa in den 16 Ländern ergab.

Mappus fordert Machtwort von Merkel

Röttgen sprach von einer gemeinsamen Haltung der Bundesregierung in der Energiepolitik. Sie basiere auf dem Koalitionsvertrag von Union und FDP, sagte Röttgen. "Ich zweifle, ob Herr Mappus da richtig aufgepasst hat, als der abgeschlossen wurde. "Jedenfalls gilt der Koalitionsvertrag. Mein Eindruck ist, dass er (Mappus) mit dem nicht einverstanden ist", sagte Röttgen. Zugleich stellte er den Vorrang des Ausbaus erneuerbarer Energien und den vorübergehenden Charakter der Kernenergie heraus. "Ich glaube, dass Herr Mappus weniger mit mir, sondern mit diesen klaren Festlegungen ein Problem hat." Wegen seiner Pläne einer nur kurzen Laufzeitverlängerung um acht Jahre bis 2030 hatte Röttgen die Wirtschaftspolitiker der Union bereits gegen sich aufgebracht. Sie wollen 28 Jahre längere Laufzeiten bis zur Abschaltung des letzten Reaktors im Jahr 2060.

Mappus machte deutlich, dass er an Merkels Stelle Röttgen bereits aus dem Kabinett geworfen hätte. Zur Frage der Bundesrats-Mitwirkung bei der Gesetzgebung sagte er, es gebe klare Vorgaben aus dem Kanzleramt. Wenn Röttgen hier einfach widerspreche, sei das nicht hinnehmbar. Mappus verlangte von Merkel. "Ich erwarte vom heutigen Tag, dass der Kollege Röttgen zurückgepfiffen wird. (...) Politik ist ein Mannschaftsspiel und wer Individualsport bevorzugt, der muss sich ein anderes Tätigkeitsfeld suchen." Die Umweltministerien von Hessen, Baden-Württemberg und Bayern erklärten gemeinsam, ein zustimmungsfreies verfassungskonformes Gesetz sei möglich. Die Bundesregierung solle ihre Vielstimmigkeit in der Frage aufgeben.

Ministerpräsident Müller unterstützt Röttgen

Die Atomaufsicht in Kiel - das Justizministerium von Schleswig- Holstein - ist grundsätzlich der Ansicht, dass der Bundesrat einer Verlängerung der Laufzeiten zustimmen muss. Eine abschließende Beurteilung wollte der Abteilungsleiter Reaktorsicherheit, Wolfgang Cloosters, in der dpa-Umfrage jedoch nicht geben. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte dagegen klar, dieses Vorhaben dürfe nicht an der Länderkammer vorbei "durchgeboxt" werden. Der Fraktionschef der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, sagte auf dpa-Anfrage: "Für mehr Atommüll und für ein verlängertes Risiko durch veraltete Atomkraftwerke gibt es im Bundesrat keine Mehrheit und in der Bevölkerung schon gar nicht."

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (beide CDU) gegen die Kritik aus der eigenen Partei verteidigt. "Ich kann den Bundesumweltminister nur unterstützen", sagte Müller der "Berliner Zeitung" (Dienstag). Nach Ansicht Müllers müsse die Länderkammer in dieser Frage mitentscheiden. "Die Länder sind vom Vollzug des Atomgesetzes betroffen." Mit der Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen hat Schwarz-Gelb die Mehrheit im Bundesrat verloren. Müller führt in Saarbrücken die bundesweit erste Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen auf Länderebene. Er hatte zuletzt die Energiepläne seiner Partei wiederholt kritisiert.

Söder für nationalen Energiegipfel

Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) hat sich angesichts des Streits für einen nationalen Energiegipfel ausgesprochen. Er sagte am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin", innerhalb der Bundesregierung sei "letztlich kein Energiekonzept vorhanden". Söder betonte, eine Verlängerung der Laufzeiten sei ohne Zustimmung des Bundesrates möglich. "Der Ausstieg ist ohne Bundesrat beschlossen worden. Deswegen ist es jetzt auch kein Problem, die Verlängerung der Laufzeit ohne den Bundesrat zu machen."

Der Bundesrat hatte 2002 das Gesetz der damaligen rot-grünen Bundesregierung zum Atomausstieg zwar beraten, aber nicht darüber abgestimmt. Die Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, die jetzt eine Beteiligung des Länderkammer strikt ablehnen, hatten seinerzeit gemeinsam beantragt, das Gesetz für zustimmungspflichtig im Bundesrat zu erklären. Sie fanden dafür jedoch keine Mehrheit. Söder sagte nun: "Was für den Ausstieg gilt, muss auch für die Verlängerung gelten."

Die Bundesrats-Frage ist laut Söder eine vorgehaltene, technische Debatte. "Was uns große Sorge macht, ist, dass am Samstag das Kanzleramt erklärt, wir brauchen eine Verlängerung der Laufzeit ohne Bundesratsbeteiligung, und einen Tag später erklärt der Bundesumweltminister genau das Gegenteil." Söder forderte, die AKW- Laufzeiten zu verlängern, bis erneuerbare Energien an die Stelle der Kernkraft treten können.

Zu der Rücktrittsforderung von Baden-Württembergs Regierungschef Stefan Mappus gegen den Bundesumweltminister Norbert Röttgen (beide CDU) sagte Söder: "Das ist nicht meine Position." Es gehe nicht um personelle, sondern um inhaltliche Fragen.

dpa