Dadschn statt Gaddln: himmlischer Anschluss für die Kirchen
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WLAN für die Kirche: Berlin bietet jetzt den "Godspot".

Wer auf Twitter alle Tweets beobachtet, in denen das Wort „Kirche“ vorkommt (abzüglich aller, in denen „Ameisen“ genannt werden, fragen Sie nicht, wie oft dieser Witz getwittert wird …), kommt nicht umhin festzustellen: Twittern in der Kirche ist nicht nur technisch oft ein Problem, sondern vor allem auch mental. Gar im Gottesdienst? Ach du meine Güte. Früher, da haben die Männer – zumindest in meiner mittelfränkischen Heimat – sich auf die Emporen verzogen, wo die frommen Frauen im Erdgeschoß nicht so genau mitbekamen, was die da oben taten. Na ja, was Männer halt so tun, wenn sie gemeinsam irgendwo rumsitzen. „Gaddln“ heißt es auf Mittelfränkisch, also, Karten spielen halt. Schön andächtig, damit der Pfarrer nicht gestört wird.

Gaddln ist out. Jedenfalls nicht mehr so in wie früher. Heute dadschd man aufs Smartphone, das im Fränkischen angeblich Wischkäsdla heißt, obwohl ich diesen Begriff außer in der Zeitung noch nirgends wahrgenommen habe. Was damals im kleinen Kreis blieb, ist bei Twitter und Co aber nicht so möglich. Twitter ist – normalerweise – öffentlich. Und der verstohlene Blick auf das Smartphone unter der Kirchenbank ist auch für die restliche Gemeinde ziemlich offensichtlich. So twittern gelangweilte Hochzeitsgäste etc. eigentlich meistens nur ihre Verwunderung darüber, dass sie nicht zu brennen anfingen, als sie die Kirche betraten. Und natürlich, dass sie, oh Graus, in der KIRCHE twittern. Oder facebooken. Oder sonstwas.

Technisch schwierig ist das oft, weil die zumeist recht dicken Kirchenmauern das Mobilfunksignal nicht so recht gut durchlassen wollen. Und trotz gewaltig gesunkener Kosten für Flatrates gibt es doch noch viele, die ein ordentliches WLAN einem Mobilfunknetz vorziehen.

Die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) hat auf die gesunkene Spielkartenfrequenz in ihren Gottesdiensten und Veranstaltungen souverän reagiert und will im Laufe des Jahres und insbesondere bis zum Deutschen Evangelischen Kirchentag 2017 immer mehr Kirchen und Gemeindehäuser mit einem wirklich freien WLAN ausstatten. Dazu arbeitet sie mit verschiedenen Anbietern zusammen, um die in Deutschland wirklich lästige Störerhaftung auszuschließen. Das WLAN soll frei und ohne Anmeldung nutzbar sein, lediglich beim ersten Benutzen wird man auf die Website der jeweiligen Kirche geleitet. Was ab da geschieht, bleibt jedem selbst überlassen. Vermutlich wird es zumindest in kirchlichen Schulen und anderen Jugendeinrichtungen aber dann doch Inhaltsfilter geben, damit die Jugendlichen während des Konfiunterrichts oder der Predigt keine, sagen wir mal: unanständigen Filmchen ansehen oder ähnliche Dinge tun. In den Kirchen soll der Zugang aber völlig ungefiltert sein. Porno gucken in der Kirche? Na ja – das war schließlich auch früher schon möglich, wenn sich die Herren der Schöpfung statt der Pik-Dame mal eine Peep-Dame im Playboy unter der Bank zuschoben.

In Anlehnung an den bekannten Begriff „Hotspot“ nennt sich das kirchliche Netz „Godspot“. Es ist ausbaufähig, sowohl für einen Anschluss der Katholiken als auch von weiteren Kirchen in ganz Deutschland. Die Kosten in der zweijährigen Pilotphase trägt die Landeskirche – danach? Schau mer mal.

Egal, was man tut: Irgend jemand mosert immer. Und so gibt es jetzt bei diesem recht fortschrittlichen Projekt auch schon wieder diejenigen, die meinen: Kirche ist mal wieder hinterm Berg, wer will heute schon noch WLAN haben? Also, zumindest meine Kinder sind immer froh, wenn sie eine Weile ihre kostbaren Megabytes nicht antasten müssen.

Aber die Frage ist schon berechtigt: Welchen Sinn hat es heute noch, so ein freies WLAN anzubieten? Gerade in den kleineren Kirchen, so der Initiator und IT-Beauftragte Fabian Kraetschmer in einem Spiegel-Interview, seien Kirche und Gemeinderäume nahezu identisch. Bei vielen Veranstaltungen wünschten sich die Gemeindeglieder heute WLAN. Und ein Argument gefällt uns besonders: Die Kirchen waren immer schon Orte der Kommunikation und des Austauschs. Hier traf sich früher die Welt. Vielleicht trägt ein offener Godspot wieder dazu bei, dass die Menschen sich hier versammeln und miteinander ins Gespräch kommen? Das wäre schön. Das wäre ein göttlicher Ort. Ein Godspot.

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/godspot-wlan-in-kirchen-interview-mit-initiator-kraetschmer-a-1093166.html

www.godspot.de

http://www.evangelisch.de/inhalte/135697/21-06-2016/mit-godspot-kostenlos-im-internet