Sicher erinnern Sie sich an die unsterbliche Stoiber-Rede mit dem Hauptbahnhof und irgendwas mit zehn Minuten. Wir wollen diese Rede jetzt ja gar nicht im Wortlaut wiedergeben. Aber wenn Sie am Sonntag um 14:30 Uhr ohne einzuchecken in die Annakirche, dann starten Sie im Grunde mit der Predigt – schauen Sie sich mal die großen Stadtkirchen an, wenn sie in Hamburg im Michel oder sonstwo meinetwegen Notre Dame in äh Frankreich oder äh Rom, wenn Sie sich mal die Bauzeiten ansehen, denn werden Sie feststellen, dass sechshundert Jahre Sie locker in Köln brauchen, um Ihren Dom zu bauen. Wenn Sie von der Annakirche, äh, vom Hamburger Michel, dann bauen Sie praktisch in 20 Minuten eine komplette Kirche – das bedeutet natürlich, dass die Predigt viel näher an Bayern an die bayerischen Städte heranwächst, weil das ja klar ist, weil an der Frauenkirche viele Predigten aus Bayern zusammenlaufen.
Nun, äh, also in Wirklichkeit geht es gar nicht um eine Predigt, sondern um die rekordverdächtige Bauzeit der Annenkirche in Töttleben, die laut Lokalredaktion der Thüringischen Landeszeitung vom 27.2.2016 gerade mal 20 Minuten betrug. Das soll uns ein Stoiber erst mal nachmachen! Der schafft es in dieser Zeit nicht mal zum Flughafen. Apropos Flughafen, da war auch irgendwas mit Bauzeit. Aber nein, nicht in München, irgendwo anders, in einer großen Stadt, deren Name derzeit in München nicht so wirklich gern gehört wird.
20 Minuten für eine Kirche! Tja, wir können's halt. Ganz neue Gemeindeaufbauoptionen ergeben sich da. Bisher war jedes Gebäude für die Gemeinde auch eine Belastung und Verpflichtung. In immer mobileren Zeiten können wir nun einfach der Bevölkerung hinterherziehen. Während anderswo Kirchen abgebrochen werden – gerade in diesen Tagen wieder im Braunkohle-Tagebaugebiet Garzweiler II die St. Martinus-Kirche im ehemaligen Borschemich – können wir anderswo ratzfatz was Neues aufbauen. 20 Minuten für eine komplette Kirche! Einfach perfekt. Ikea ist nichts dagegen.
Jetzt mal ganz ernst: Für den Gemeindeaufbau brauchen wir halt auf jeden Fall länger als 20 Minuten. 20 Jahre kontinuierliche Arbeit, von Pfarrer/in zu Pfarrer/in und Kirchenvorstand zu Kirchenvorstand weitergegeben, können schon mal helfen, aber selbst das kann nur ein Anfang sein. Und irgendwann werden wir alle auch mal ankommen. Nicht am Hauptbahnhof. Auch nicht in einer Kirche aus Stein. Sondern in Gottes Reich. Selbst, wenn wir uns vorher verfahren haben sollten. Wir sehen uns!