In Syrien und den benachbarten Ländern wütet der „Islamische Staat“ mit Waffengewalt. Die ganze Region versinkt im Chaos und Krieg, Millionen von Menschen sind auf der Flucht, Zehntausende oder gar Hunderttausende haben ihr Leben verloren.
Mit großem Entsetzen haben nun Mitarbeiter eines großen US-amerikanischen Waffenherstellers festgestellt: Auch mit unseren Waffen, erbeutet aus Beständen der irakischen Armee, werden da unschuldige Menschen getötet! Das wollten wir natürlich nie, als wir diese Dinger hergestellt haben. Die sind eigentlich nur zum Streicheln gedacht und so. Aber niemals dafür, dass so ein abscheulicher Islamist sie in die Hand nimmt!
Mal ganz abgesehen von den theologischen Verwicklungen zwischen den drei Buchreligionen, die sich daraus ergeben, dass der Waffenhersteller hier einen Spruch aus dem ursprünglich jüdischen Alten Testament gewählt hat: Ist doch wirklich eine gute Idee mit dieser Islamistensicherung. Auch Jesus hat ja nie etwas gegen Gewehre gesagt. Schwerter ja, „Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen“ und so Zeug. Und dann war da noch das mit der rechten und linken Backe und der Ohrfeige. Aber Gewehre sind voll ok. Bomben übrigens auch. Sogar vor dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima hat ein lutherischer Feldgeistlicher ein Gebet gesprochen, das allerdings immerhin nicht darauf abzielte, dass möglichst viele Feinde vernichtet werden sollen, sondern dass der Krieg bald ein Ende haben möge und die Menschen unversehrt zurückkommen sollen. (Da selbst die Piloten wohl erst nach dem Abflug genauer über ihren Auftrag informiert wurden, stellt sich mir die Frage, ob der Kollege wirklich wissen konnte, was er da eigentlich tat, aber das nur am Rande.)
Ja, auch früher hatte die Kirche doch schon grandiose Kämpfe hingelegt! Man denke nur an all die schönen Kreuzzüge, eine frühe Form der Völkerverständigung, in deren Tradition das Gewehr ja auch „Crusader“ benannt wurde und neben dem Bibelspruch auch noch ein Kreuzfahrerwappen trägt. Wie viel lustiger, erfolgreicher und auch theologisch korrekter wären die Kämpfe damals gewesen mit Gewehren dieser Firma statt mit sowieso von Jesus geächteten Schwertern!
Leider, leider waren die Zeiten damals noch nicht reif, aber jetzt könnten wir ja nochmal von vorne anfangen, ein Gewehr kostet ja auch nur 1395 US-Dollar, Finanzierung ist möglich und Syrien ist sowieso gleich neben Israel, wo damals die Kreuzzüge stattfanden, das zählt fast noch als Original-Schauplatz. Mit dem „Crusader“ können Sie dann ja selber nach Syrien fahren und ungläubige Islamisten abballern wie die Moorhühner. Dann ist endlich wieder Ruhe im Karton. Alles dank eines kleinen Bibelspruchs. Ach ja, und wenn Sie doch aus Versehen getroffen werden sollten und Ihr Leben beenden sollten – kann ja im Krieg schon mal passieren – dann können Sie immerhin getröstet dahinscheiden, weil die Gegenseite dieses Gewehr ja nicht verwenden kann. Zumindest nicht, wenn sie neben der arabischen auch noch die lateinische Schrift sowie die englische Sprache beherrscht. Vielleicht hätte man den Spruch noch auf arabisch eingravieren sollen, war aber möglicherweise gerade nicht verfügbar.
Schön ist natürlich auch, dass im waffenbegeisterten Amerika die Leute nun umso sicherer um sich schießen können, denn kein Muslim wird ihnen dabei in die Quere kommen. Endlich wird wieder rein christlich geballert! Jeder US-Amerikaner sollte so eine Waffe haben! Also, jeder christliche natürlich. Dann wären alle Probleme der Welt beseitigt. Oder zumindest alle eventuell möglichen Finanzprobleme der Herstellerfirma.
Blöd nur, dass auch in den USA Muslime ziemlich wenig mit diesen Realitiy-Ballerspielen zu tun haben. Der Vorsitzende des Rates für amerikanisch-islamische Beziehungen, Hasan Shibly, weist darauf hin, dass bei den 205 Mehrfach-Morden in den USA im Jahr 2015 nur bei einem ein Muslim beteiligt gewesen sei. Vielleicht sollte der Waffenhersteller noch ein Modell entwickeln, in das ein passender Koranspruch eingraviert ist, damit der Markt ein wenig, äh, angefeuert wird. Die US-amerikanische Mordstatistik wird dann zeigen, ob der christlich-jüdische Gott oder Allah besser zielen kann, und die Kasse der Waffenhersteller wird klingeln, denn mit Dollar zahlen sie alle.
Ich bitte vielmals um Entschuldigung, wenn mir bei diesem Artikel der Sarkasmus-Topf etwas übergekocht ist. Die Leute von „Spike’s Tactical“ haben wohl den Schuss nicht gehört. Ich halte mich lieber daran, was der Ökumenische Rat der Kirchen schon in seiner Gründungsversammlung im Jahr 1948 feststellte: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“ Daran haben wir uns im Lauf unserer zweitausendjährigen christlichen Geschichte leider, leider viel zu oft nicht gehalten und viel Leid und Elend über die Welt gebracht, viel Schuld auf uns geladen. Was damals war, können wir nicht mehr ungeschehen machen, aber wir können klar sagen: Es muss ein Ende haben!
Wie wir mit den Gewalttaten des IS und anderer Beteiligter in Syrien und den Nachbarländern umgehen sollen, ist dennoch eine offene Frage. Es scheint, als könne nur noch Gewalt diese Gewalt zurückdrängen und auch für den Schutz der Betroffenen sorgen. Kann Waffengewalt dauerhaften Frieden bringen? Manchmal muss man möglicherweise als Christ schweren Herzens zu Gewalt greifen, sogar den Tod des anderen in Betracht ziehen, so wie Dietrich Bonhoeffer auch bereit war, beim Attentat auf Hitler mitzuwirken. Niemals aber darf das leichtfertig und in der Überzeugung „Gott will es so“ geschehen. Eine „christliche“ Waffe jedenfalls ist in meinen Augen ein Widerspruch in sich.
Ein Foto finden Sie auf der Website des Herstellers und bei Theopop. Ich will es in diesem Blog nicht haben. Und noch eine Anmerkung: Nein, es ist keine Satire. Die meinen das vollkommen ernst.