Obenrum trägt er ein Gewand in limerick-green. So eine Art Platzgrün - nicht zart, sondern eher ein sympathisches pralles Mittelgrün. Es liegt wie Samt leicht pelzig auf seinen Schultern. Der kleine Kopf guckt keck und blütenartig mit Kussmund daraus hervor. Und dann! Fällt das Grün mit kleinen cherrywood-roten Flecken hinein in ein rotes Meer. Wie Kometenschweife fallen sie glühend in den wangenrot-farbenen Saum, als hätte jemand ein Feuerwerk in einen Sonnenuntergang hinein entzündet. Über alles ziehen sich winzige weiße Tupfer, wie die Sterne in einer dunkeln Nacht, als leuchte hier das ganze Universum hervor.
Nicht und niemals nachzumachen ist dieses einmalige Gewand, atemberaubend schön. Der es trägt, heißt Wilhelm. Kaiser Wilhelm. Und er hat den letzten Tag an unserem Apfelbaum verbracht. Der frische säuerliche Geschmack seines weißen, fast silbernen makellosen Fruchtfleisches wird mir nachher auf der Zunge zergehen. Es wird riechen, wie nach jungem, frisch gemähtem Gras mit Zitronenmelisse und Süßgras. Die Kerne werden, cederbraun und leicht flach, gut sortiert aus der Mitte schauen. Ich staune über die Mühe. So viel Mühe! So eine Fülligkeit an Farben! Jeder Wilhelm am Baum mit seinem eigenen Muster. Jedes ihrer Gewänder einmalig. Eine umwerfend kluge und schöne Konstruktion von der dünnen Schale, über das saftig-knackige Fruchtfleisch bis zu den gut gehüteten Samen. Samen, die darauf warten, dass die Frucht vergeht oder verzehrt wird. Ein Teil eines ganzen Kreislaufes, von dem ich ein Teil bin, wie Sonne, Regen und Bienen. Rein praktisch hätte es doch gereicht, wenn die Äpfel eine einzige Farbe und alle denselben Geschmack hätten. Stattdessen: Fülle. Schönheit. Großzügigkeit.
Manchmal setze ich mich mitten in den Garten. Damit ich fühle, wie ich dazu gehöre. Als Teil einer ganzen Welt von unbeschreiblicher Schönheit. Unendlicher Variationen. Niemals zu Ende beschreibbarer Farben. Im tiefsten miteinander verbunden. Eingewickelter Segen. Kunstvoll eingeschlagen in Gewänder in limerick-green und cherrywood-rot. Segen für den Alltag. In jedem, das durch meine Hände geht.
Segen von Dir.
Licht ist Dein Kleid. Du bist so herrlich geschmückt. Du legst die Schönheit neben meine Angst. Die Großzügigkeit neben meinen Kleinmut. Das rote Meer neben meine Tränen. So gibst Du mir Speise zur rechten Zeit und und legst Dich mit leisem Wehen mild und heimlich - wie ein Mantel mit Sternen und dem ganzen Universum - um meinen Alltag mit mir darinnen.
Aufgabe: Diese Woche schauen, wie schön der Segen eingewickelt ist.