Morgen fängt in Bayern die Schule wieder an. Die Sommerferien sind vorbei, diese herrliche Zeit für Groß und Klein, diese herrliche Zeit auch für uns. Die Ferien waren ganz unspektakulär. Wir waren im Wechsel in München und in Oberbayern, wo es sowieso am schönsten ist. Die Handwerker waren in der heißen Stadt und wir immer wieder in der Sommerfrische auf dem Land.
Wenn da nicht die Nachrichten gewesen wären. Der furchtbare Anschlag in Solingen. Die Hasstiraden der AfD. Die Reaktionen von Söder und Merz, die geschichtsvergessen das Grundrecht auf Asyl infrage stellen, statt christliche Werte zu verteidigen. Die für Demokrat:innen desaströsen Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen, genau 80 Jahre, nachdem die Nationalsozialisten Polen überfallen haben ... Es gab aber auch Gutes in der Zeit. Die Paralympics in Paris zum Beispiel und das unvorstellbar glückliche Gesicht von Zakia Khudadadi, die Bronze in Taekwondo gewonnen hatte und damit die erste Medaille für das Refugee-Team in der Geschichte der Paralympischen Spiele.
Und dann gab es den Himmel. Den Himmel über Oberbayern, weit und wunderbar.
Ich kann mir keinen schöneren Ort vorstellen als den Himmel, das war schon immer so. Ob am Tag oder in der Nacht, ob es stürmt oder dunkle Wolken den Blick versperren, ob es regnet oder die Sonne scheint, ob sich inmitten beider ein Regenbogen zeigt, der hier zum Segenbogen wird: Der Himmel ist immer da.
Ich mochte den Himmel schon als Kind. Ich erinnere mich an die erste Nacht unter freiem Himmel und den Blick in die Sterne, die immer mehr wurden, je dunkler es wurde und je länger ich hinsah. Die Verblüffung über die Unendlichkeit des Weltalls; die Panik, in das grenzenlose Nichts hineinzufallen; das Wunder, dass das nicht passierte.
Später kamen neue Wunder dazu. Himmelszelt-Wunder. Das liegt an den Brüdern, den Drobigen. Sie haben meinen Blick verändert. Der Himmel bekam ein Gesicht, er bekam ihr Gesicht. Sie sind der Himmel. Sie sind mein Himmel. Und sie tun Wunder. Auch jetzt, in diesem Sommer.
Einmal, in der Nacht, schien der Mond nach einem kräftigen Gewitter. Er schien auf ein paar Wolkentupfer, die langsam ihre Bahnen zogen. Mittendrin leuchtete ein zartes Wolkenherz. Allmählich löste es sich auf im stillen Wind, als sei es schüchtern. Das war ein bestimmt Gruß. Ein Gruß von meinen Brüdern. Und Freudentränen liefen über mein Gesicht. Ein andermal sah ich zwei Sternschnuppen, auch sie gewiss ein Gruß von meinen beiden. Sie winken oft auf diese Weise, meist zu Silvester und zum Geburtstag im August.
Nicht immer treten die beiden miteinander auf. Manchmal ist es nur einer, wie im August. Da sah ich, unverhofft und in Gedanken, plötzlich ein helles Wolken-A am Himmelszelt. Senkrecht und ruhig lag es über den Bergen, in der Ferne. Hinter dem A waren flache Schnörkel, die immer kleiner wurden, bis sie verschwanden. Wie eine Schrift, kaum leserlich. Andreas hatte mir geschrieben! Und ich war aus dem Häuschen.
Das ist der Himmel. Unzerstörbar. Unverbrüchlich. Ein Lebensort und Wunderland. Ein Versprechen auf die Zukunft, die sichtbar schon begonnen hat.
Nun sind die Sommerferien vorbei, der Alltag hat uns wieder, auch der politische. Und ich? Ich sehne mich zurück aufs Land. Zurück zu meinem Himmel. Zurück zu seinen Wundern.