Sie sind ja Fußballfan, wunderte sich neulich jemand. Stimmt. Ich bin Fußballfan, bei großen Turnieren. Und ich bin ein Fan von Augenblicken. Am schönsten fand ich, wie es dem zehnjährigen Berat gelang, mitten im Spiel über das Fußballfeld zu flitzen, um ein Selfie mit Christiano Ronaldo zu ergattern, dem Superstar und Fußballgott. Und wie er der Security ein Schnippchen schlug, indem er blitzschnell und hakenschlagend zurücklief, mit dem Selfie im Smartphone. Großartig!
Wunderbar waren die Schotten. Ihre Fans. Ganz München war ein einziger Tanz, im Schottenrock die einen, in Dirndl oder Lederhosen die anderen. Obwohl die Deutschen die Schotten mit 5:1 vom Platz fegten, blieben sie vergnügt. Das habe ich selbst erlebt, am nächsten Tag beim Einkaufen. Dort traf ich drei Fans. Wir plauderten und lachten, es war die reine Freude. Ein Schotte verriet mir das Geheimnis ihrer guten Stimmung. Uns verbinde derselbe Gegner: England! Klar, dass ich danach gegen England war.
Natürlich gab es auch Momente der Entrüstung. Zum Beispiel über den englischen (sic!) Schiedsrichter, der den Hand-Elfmeter im Spiel gegen Spanien nicht gab. Böse! Aber: Gegen den Europameister zu verlieren, ist keine Schande. Außerdem sind wir gute Verlierer:innen – abgesehen von den Leuten, die prompt eine Petition starteten, und den Idioten, die in den nächsten spanischen Spielen den vermeintlichen Hand-Fußballer auspfiffen.
Und dann war da noch die Kirche.
Etliche Pfarrer meinten, Kommentare abliefern zu müssen. Kaum war Deutschland ausgeschieden, fielen fromme Sprüche. „Ich muss nicht in Tristesse verfallen“, sagte Münchens bekanntester Priester, der umtriebige Pfarrer Rainer Maria Schießler. "Ich habe weder mein Leben verloren, noch meinen Job, noch meine Liebe. Wir dürfen weitermachen." Ja, eh. Aber wieso die Dramatik, der Vergleich mit dem Tod?
Neu war mir, dass es neben den offiziellen Sportfunktionären auch kirchliche Sportfunktionäre gibt. Sportbeauftragte heißen sie. Auch sie gaben zum Besten, was sie über den Fußball denken.
Bei der EKD ist es der rheinische Präses Thorsten Latzel. Er sagt: "Jesus war ein Straßenkicker." Und: "Es gibt einen Gott, der die Menschen liebt. Und weil er die Menschen liebt, liebt er eben auch Fußball." Je nun ... Auf der Homepage der EKD finden sich eine Fülle von "Fußballtipps aus der Bibel". Beispiel: "Wer Gott auf seiner Seite weiß, kann sich gewiss sein: Er wird helfen, den Gegner zu besiegen. Zum Beispiel damals, zu Zeiten des Propheten Jeremia: Die fremde Macht Babel bedrohte Israel und hätte das kleine Land besiegen können. Gott springt seinem Volk zur Seite und schickt 'Verderben bringenden Wind' (der im Falle eines Fußballspiels den Torball über die Latte wehen könnte)." Echt jetzt?
Sportbeauftragter der katholischen Bischofskonferenz ist der Passauer Bischof Stefan Oster. Er sucht Bilder für die Verkündigung. "Dinge wie Mannschaftsgeist, Askese, Training, Spiel, Einsatz. All das kann auch Metapher für das Glaubensleben sein." Noch hilfreicher wäre, er würde den "Mannschaftsgeist" in der Kirche beschwören. Statt Reformen zu bremsen.
Über den Vergleich von Sport und Kirche sagt Oster: "Der professionelle Sport hat vielfach seine Glaubwürdigkeit verloren: Kommerz, Doping, Korruption, ungehörige Vermengung mit politischen Interessen und mehr. Kirche und Sport können gemeinsam viel bewirken, wenn sie sich für Werte einsetzen wie Solidarität, Integration, Inklusion, Fairness." Mandl, Mandl. Die katholische Kirche steht dem Fußball in Sachen Glaubwürdigkeit um nichts nach. Auch bei der Fairness sollte sie besser vor ihrer eigenen Tür kehren. Da liegt einiges herum.
Ja, ich bin Fußballfan. Aber kein Fan von kirchlichen Sportprofis. Denn ich glaube an keine Fußballgötter. Weder auf dem Platz noch in der Kirche, ob selbst ernannt oder beauftragt. Ich glaube an Gott.