Einen Körper anziehen: Die beiden Füße mit den helleren, leicht rauen Sohlen und der stabilen Ferse. Von unten gesehen leicht geschwungen wie ein Violinenkörper. Den empfindliche sehnigen Fußrücken, die Zehen leicht spitzend und bis über die wendigen Knöchel. Manchmal ein wenig kitzelig. Mit Socken bedecken? Heute mal barfuß? Dann die Wäsche, die ganz privat ist. Die unter der Kleidung sitzen wird, an Körperstellen, die intim sind und schön. Und jetzt auch die beiden Beine bedecken, die tragenden Säulen. Samt den wippenden Hüften, die alles gut halten und dem Hintern, der wie ein weiches Kissen den Körper ruhen lässt. Die Arme anziehen. Alle beide. Die Ellenbogen und über die Schultern. Vielleicht heute etwas kürzere Ärmel, weil es so warm ist? Die Hände frei gelassen, dass sie greifen und gestikulieren können, streicheln und ruhen. Vorne den weichen, warmen Bauch einhüllen und hinten den starken Rücken. Knöpfe schließen. Stoffe glatt ziehen. Den Hals frei lassen zum Luftholen und Schlucken.
Einen Körper anziehen. Stück für Stück. Ganz rundherum einhüllen. Über die Haut fahren und sie bedecken. Jeden Morgen. Im Bad oder im Schlafzimmer. Einen Körper, gebaut wie Milliarden andere und doch ein Unikat und einmalig. Hände und Füße, Bauch und Hals. Ein Meisterwerk!
C. tut dies, mit ganz zärtlichen Fingern für G., dessen winzigen Körper er liebkosend in kleine Stoffe taucht. L. tut dies langsam mit zittrigen Händen, dankbar für ihren alten Körper, der sie schon bald ein ganzes Jahrhundert begleitet. K. tut dies und freut sich kurz an der Weichheit und großen Fülle ihres Körpers, der sie wie eine Burg durch den Tag trägt. H. tut dies mit kurzen hektischen Bewegungen, denn das, was er trägt, ist sein Büroanzug, Schutz und Wall für ihn selbst, wenn er im Dienst ist. B. tut dies nicht alleine, andere Hände kleiden ihn ein, weil seine eigenen Hände sich nicht bewegen lassen. Sein Körper ist ihm vertraut. Er kennt ihn genau mit allen Narben und Krümmungen. F. tut dies jeden Morgen mit einer Frage, wie weich oder herb das Gefühl für sich selbst heute ist. Am liebsten kleidet F. sich neutral, etwas dazwischen, in das F. so oder so sein kann. M. kann es schon fast alleine und zieht mit ihren kleinen Händen das bunte Shirt über den Kopf. D. hat heute nicht die Kraft dazu und spürt aber jede Ecke ihres Körpers auf dem Bett, wenn auch schmerzlich. R. zelebriert es jeden Morgen, Kleidung ist Lebensausdruck für ihn: Farbe und Schimmer für den täglichen Auftritt. N. tut es schnell. Gerade ist ihr ihr Körper manchmal fremd, so wie er jetzt wächst und sich verändert. W. wird angezogen ein letztes Mal. Füße. Beine. Bauch und Arme. Die Hände auf der Brust verschränkt. Der Körper ein letztes Mal berührt und gebraucht.
Jeden Tag ziehen Menschen Körper an oder tun dies mit Hilfe. Sie tun dies mit ganz unterschiedlichen Gefühlen. Der Körper ist ihr Eigen. Ist um sie herum. Ein Einzelstück. Ist nur einmal da. Die Bibel sagt: Er ist ein Tempel. Die Bauweisen sind variabel. Doch jeder ist ein Ort der Heiligkeit. Jeder ist ein Ort des Himmels.
Wisst ihr, dass ihr Gottes Tempel seid und Gottes Geistkraft in euch wohnt?
Der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr. (1. Kor 3, 16f)
Challenge: Beim Anziehen daran denken, wie wertvoll mein Körper ist.