Spiritus
Kreuz Birnbaum und Hollerstauden
Von Zeit zu Zeit die Welt beobachten - und: Pumuckl schauen

Als meine Schwester und ich Kinder waren, durften wir genau EINMAL in der Woche fernsehen: nämlich Pumuckl.
Die Geschichte des Kobolds, der beim alten Schreinermeister Eder in seiner Werkstatt wohnt und nur von ihm gesehen werden kann.

„Hurra Hurra der Kobold mit dem roten Haar! Hurra Hurra der Pumuckl ist da!“ Ich werde noch auf dem Sterbebett das Titellied singen können, ich werde die Münchner Dächer vor mir sehen und auf ihnen die hüpfenden gelben Buchstaben und den ebenso hüpfenden Pumuckl.

RTL hat nun neue Folgen der erfolgreichen Kinderserie produziert. Die längst abgerissene Schreinerwerkstatt wurde in einem Studio wiederaufgebaut. Mithilfe einer KI hat Pumuckl weiter die Stimme des längst verstorbenen Hans Clarin. Und es gibt einen neuen Meister Eder, der der Neffe des alten ist. Er geht nicht mehr ins Wirtshaus, sondern zum italienischen Imbiss. Hat nicht mehr nur Freunde, sondern auch Freundinnen. Auch die ganze Nachbarschaft ist diverser geworden. Der Pumuckl ist angekommen in der Münchner Gegenwart. Und er ist wunderbar wie eh und je. Auch seinen Bauch durfte er behalten. Gottseidank.

In einer der neuen Folgen geht es um den Tod des alten Meister Eder: https://youtu.be/NvhqQMHiIOw?si=jM2cKIR5dbsdtH3u. Ich habe Rotz und Wasser geheult, als ich sie sah, so feinfühlig und kind-seelen-kobolds-gerecht ist das gemacht. Und während ich mich schnäuzte, dachte ich, dass es nur angemessen ist zu weinen, schließlich war der Meister Eder auch ein echter Freund für mich. Kreuz Birnbaum und Hollerstauden.

Tiktok, dessen Algorithmus mich allzu gut kennt, spielt mir nun seit einer Weile Sequenzen aus der alten Serie aus und ich staune: Meister Eder und Pumuckl streiten sich quasi unentwegt. Eder grantelt, Pumuckl wirft alles durcheinander, Eder schreit, Pumuckl schreit zurück. Einmal ist es so schlimm, dass Pumuckl auswandern will: https://youtu.be/j91wEQE2qkI?si=eCXt7BrqwBodi8ZQ „Ich kann es nicht haben, wenn hier jemand schreit“ schreit er, „weil mein einziger lieber kleiner Nerv, den ich noch habe, geht dann auch noch dings kaputt!“ Letztlich versöhnen die beiden sich aber natürlich wieder, Meister Eder entschuldigt sich sogar und am Ende gibt es Lokoschade oder Bier oder Wurst oder alles drei (nur kein Käse, denn der ist schließlich verdorbene Milch und fast so schlimm wie Heinzelmännchen).

Ich sehe also die beiden streiten und ich staune, weil Streit nun wirklich nicht das war, was in meiner Kindheit besonders gern gesehen worden wäre. Oder was ich heute besonders gern habe. Oder wofür ich besondere Liebe und Anerkennung bekommen würde. Ich staune und beschließe zweierlei:

1.    Ich will in den nächsten Jahren ein bisschen Meister-Eder-hafter werden: eine eigensinnige Alte, die Unsichtbares sieht und darauf besteht, dass es wahr ist. Und die auch mal flucht und schreit, wenn's was zu fluchen und zu schreien gibt.
2.    Ich will eigentlich jetzt sofort ein bisschen Pumuckl-hafter werden: jede Menge Koboldsarbeit tun: necken, verstecken und dichten hier und auf allen 17-30 Weltmeeren und immer wissen, dass ich ein Geschenk für die Welt bin inklusive Drama & Schabernack.

 

Wochenaufgabe:

Natürlich Pumuckl schauen. Unbedingt mir da trauen. (Oh, das reimt sich ja! Und was sich reimt, ist gut. Altes Koboldsgesetz!)