Ab und an habe ich Glaubenszweifel. Dann fürchte ich, dass das Du, mit dem ich rede, nur ein zweites Ich sein könnte, gebaut aus Hoffnung und Verzweiflung. Dann fühle ich mich allein und wenn dann das Lesen der Psalmen und anderer Bücher auch nicht hilft, dann hilft mir nur noch der Kugelfisch.
Und zwar insbesondere der japanische Kugelfisch Torquigener. Der sieht nicht nur extrem hinreißend aus, sondern der formt auch noch den Sandboden im Meer mit seinen Flossen und seinem Bauch so lange und so oft, bis ein großes kreisförmiges Mandala-Gebilde in perfekter geometrischer Form entstanden ist. Zusätzlich dekoriert der zwölf Zentimeter große Fisch die Mitte des bis zu zwei Meter im Durchmesser großen Mandalas mit Muscheln und Korallenstückchen. Zwischen sieben und neun Tagen braucht er dafür. Für mich lässt sich solcherlei Tun nur erklären, weil jemand zuguckt. Und ich rede nicht von der Kugelfischdame, für die der Kugelfischmann das Ganze baut. Für mich ist da ein Gott, der ihn sieht. Ein humorvoller Gott, der da hinsieht. Und der sich an derlei Meeresbodenkreationen ebenso sehr erfreut, wie an der Schöpfung selbst.
Nie im Leben passiert so etwas zufällig oder gar im Rahmen von "Survival of the Fittest".... deshalb: wenn es solche wunderbaren Kugelfische gibt, dann muss es also auch Gott geben. Für mich total logisch.
Aber natürlich kenn ich auch die biologischen Einwände gegen meinen Kugelfisch-Gottesbeweis. Amotz und Avishag Zahavi haben die entsprechende "Handicap-Theorie" bereits 1975 aufgestellt. Sie besagt, dass scheinbare Nachteile (Handicaps), wie zum Beispiel das Pfauenrad, der kräftezehrende Nachtigallengesang, das Hirschgeweih, die Löwenmähne oder eben der Mandalabau des Kugelfischs in der Evolution Bestand haben, obwohl sie eigentlich unnütz, ja teilweise sogar hinderlich bis gefährlich sind. Die Gehandicapten suggerieren mit ihren "teuren Signalen" ihrer Umwelt, dass sie besonders lebenstüchtig und potent sind. Eine hübsche Theorie- und mittlerweile auch mehrheitlich anerkannt. Und ihr Verfasser, Amotz Zahavi ist auch beinah so hinreißend wie der Kugelfisch.
Aber meine Gedanken dazu gefallen mir dennoch deutlich besser. Der Kugelfisch baut seine Mandalas für sich, seine Angebete und für Gott. Es sind Kunstwerke für die Liebe und das Leben. Es ist vermutlich eine Art Tikun Olam - aquaristik style. (Der Begriff Tikun Olam steht für Handlungen, die die Welt zu einem schöneren Ort machen. -Anm. d.Red.) Und das gilt sicher auch für die Nachtigall und all die anderen Vögel. Sie tragen bei zur Verbesserung der Welt. Denn Gott ist ja nicht nur einer, der sieht, sondern er ist auch ein Gott, der hört. Und zur Zeit singen ihm und uns jeden Morgen die Vögel die schönsten Frühlingslieder... Hört ihr es auch? Sie malen ihm ihr Mandala mit Tönen in die Luft...